Unwetter und starke Superzellen in Sachsen am 28.06.2017 - Extremer Dauerregen am 29.06.2017
Tief Rasmund führte am 28. und 29.06. zu einer Unwetterlage in Teilen Ostdeutschlands. Bereits am 27. waren Teile Süddeutschlands betroffen, wobei einzelne Superzellen auftraten. Das Tief wanderte mit mehreren Nebenkernen nachfolgend nach Mitteleuropa, wobei auch warme und energiereiche Luft wieder weiter nach Norden gelenkt wurde. Ein Bodentief entwickelte sich dabei in Böhmen, was für Sachsen die Möglichkeit einer Unwetterlage bot.
Bereits in der Nacht bildeten sich im Südwesten Gewitter, welche sich ausgangs der Nacht in ein größeres, kräftiges Regengebiet verwandelten. Dieses zog anschließend nordwärts und überquerte dabei Thüringen. Östlich davon in Sachsen lag aber weiterhin schwülwarme Luft. Bereits an der Ostflanke des konvektiven Niederschlagsgebietes löste es am Vormittag bei Zwickau neue Zellen aus, welche nordwärts zogen. Dabei gab es bereits erste unwetterartige Gewitter mit heftigem Starkregen und kleinem Hagel. In Penig gab es dabei eine Schlammlawine und erhebliche Überschwemmungen.
Ich fing das System bei Grimma an der A14 ab. Eine Böenfront zog auf mich zu und zeigte, dass dieses System bereits outflowdominant geworden war. Tatsächlich schwächte sich die Zelle bei Grimma mehr und mehr ab. Allerdings gab es am Ostende des Gewitters wieder neue Zellauslöse und erste Niederschlagsfallstreifen gingen bei Colditz und Leisnig zu Boden. Ich verlegte daher gegen 13:00 Uhr wieder von Grimma über die A14 nach Döbeln und kam dabei direkt in den Core einer starken Neubildung. Es gab Sturmböen und extremen Starkregen. Immer wieder mischte sich Hagel in den Niederschlag. Zwischen Leisnig und Döbeln fielen sogar einige 2-3 cm große Körner zu Boden, Autos hielten nun unter Brücken an. Erst Richtung Döbeln wurde der Niederschlag schwächer und machte den Blick auf den Aufwindbereich deutlich. Ein beeindruckend starker Aufwind markierte die Ostflanke des Gewitters, der auch eingedreht war. Im Doppler war sogar kurzzeitig Rotation erkennbar. Ich folge dem System von Döbeln nach Riesa. Lokal fand ich etwa 15 min nach dem Gewitter noch Hagel von 2 bis knapp unter 2,5 cm Durchmesser. Körner bis zu 3 cm scheinen damit auch hier plausibel zu sein.
Gewitteraufzug bei Döbeln gegen Mittag...
Neubildung östlich der Grimmaer Zelle
Niederschlagskern der Neubildung auf der A14 bei Leisnig-Döbeln mit extremen Starkregen und teils 2-3 cm großen Hagel
Aufwindbereich der Zelle bei Döbeln
Massive Aufwinde an der Ostflanke in gescherter Umgebung...
Gefundener Hagel etwa 15 min nach dem Gewitter nördlich von Döbeln
An der Ostflanke der starken Zelle bildeten sich immer wieder neue Gewitter aus, sodass sich eine kleine Linie entwickelte, welche nach Nordosten hin anbaute. Unser Chaser Bernd März versuchte derweil, das System über die A13 und die Verbindungsstraße von Riesa-Großenhain-A14 noch einzuholen, während ich hinter den Zellen blieb. Tatsächlich schaffte er es bei Großenhain gegen 14:30 Uhr nochmal vor das System und konnte die Entwicklung einer neuen Zelle beobachten. Während die Zellen vorher eher kurzlebige Meszyklonen waren, welche rasch von neuen Zellen am Ostende ersetzt wurden, schien diese Zelle eigenständiger zu werden. Laut Dopplerradar (kachelmannwetter.com) war auch beständigere Rotation in der Folge feststellbar, sodass dieses Gewitter durchaus als Superzelle angesprochen werden kann. Ich versuchte über Gröditz und Elsterwerda nochmal in das System zu kommen. Der stärkste Kern lag aber stets östlich von mir. Angeblich soll dort Hagel von 2-3 cm (ev. mehr) Durchmesser gefallen sein. In den Core schaffte ich es erst wieder bei Plessa östlich von Elsterwerda gegen 14:45 Uhr. Heftiger Starkregen, zeitweise Sturm und kleiner Hagel gingen hier nieder und verursachten lokal Überflutungen. Einige Feuerwehren waren im Einsatz.
Zelle bei Großenhain - sehr dynamische Strukturen werden sichtbar... (Foto: Bernd März)
Heftiger Starkregen und kleiner Hagel bei Plessa östlich von Elsterwerda...
Lokale Überflutungen in Folge des Starkregens...
Während die Zelle unter langsamer Abschwächung nach Nordosten zog, machte mich Bernd auf eine Neubildung im Erzgebirge aufmerksam. Diese entstand gegen 14:30 Uhr bei Gelenau und zeigte bereits rasch Rotation. Bernd versuchte über die A13 und A4 Richtung Freiberg zu kommen, während ich es auf dem Landweg über Großenhain und Meißen versuchte. Bernd war glücklicherweise schneller und erreichte gegen 15:30 Großschirma bei Freiberg. Er konnte sich also nochmal direkt vor diese Zelle setzen, welche im Doppler erneut immer wieder Rotation zeigte, insbesondere bei Freiberg. Diese Superzelle überquerte nachfolgend die Region knapp westlich von Freiberg. Bernd kam dabei zwischen Großschirma und Kleinwaltersdorf in einen schweren Hagelsturm. Hagelkörner von 4-5 cm Durchmesser gingen zusammen mit extremen Starkregen und teils schweren Sturmböen zu Boden. Der Hagelcore zog unter Abschwächung nach Nossen und Meißen weiter.
Aufzug der Superzelle bei Freiberg (Foto: Bernd März)
Blick auf die Mesozyklone (rotierender Aufwind) und Wallcloud zwischen Großschirma und Kleinwaltersdorf - rechts ist der einsetzende Hagelsturm erkennbar (Foto: Bernd März)
Heftiger, sturmgepeitschter Starkregen setzt ein sowie erste kleine Hagelkörner... (Foto: Bernd März)
Die Körner werden rasch größer... (Foto: Bernd März)
Schwerer Hagelsturm mit Körner von 4-5 cm Durchmesser! (Foto: Bernd März)
Nach dem Unwetter liegt überall der Hagel... (Foto: Bernd März)
Nach dem Unwetter aufgesammelter Hagel... (Foto: Bernd März)
Teils gibt es erhebliche Hagelansammlungen, wie hier bei Langhennersdorf... (Foto: Bernd März)
Durch den Starkregen gibt es lokal erhebliche Überflutungen! (Foto: Bernd März)
Gegen 16:10 konnte ich die Superzelle bei Meißen abfangen. Es gab zahlreiche heftige Erdentladungen. Nach einem starken Blitz im Bereich Meißen fielen dort die Ampelanlagen aus. Richtung Nossen kam ich dann nochmal in den Core des Gewitters. Heftiger Starkregen und Hagel von 1 bis 1,5 cm (anfangs einzelne Körner bis 2 cm) gingen nieder. Anschließend lief das Gewitter in Neubildungen hinein und schwächte sich gänzlich ab.
Aufzug der Freiberger Superzelle später bei Meißen...
Blick auf Meißen mit Superzelle im Hintergrund...
Immer wieder gibt es heftige Erdentladungen...
Fahrt Richtung Niederschlagskern...
Heftiger Starkregen, Sturm und kleinkörniger Hagel bei Meißen...
Gleichzeitig entwickelten sich in Ostsachsen noch heftige Gewitter am besagten Bodentief über Böhmen, welches auch die Zellen zuvor ausgelöst hatte. Besonders eine Superzellbildung bei Kamenz war dabei ausgesprochen heftig. Das Unwetter führte um Kamenz herum zu Hagelschlag mit Korndurchmessern von 4-5 cm Durchmesser, wobei einzelne Körner auch >5 cm groß waren. Es gab erhebliche Sachschäden in der Region. Dramatischerweise gab es dabei Hagel um 5 cm in einer Region, die bereits durch die Superzelle am 22.06. von ähnlich großem Hagel heimgesucht wurde. Die Zelle verclusterte nachfolgend mit weiteren Zellen in dem Gebiet und führte zu einigen Überflutungen, bevor das Systems Richtung Polen abzog. Nachfolgend beruhigte sich das Wetter in Sachsen.
Insbesondere 2 Zellen sind an diesem Tag deutlich aufgefallen, die Superzelle bei Freiberg und die Superzelle bei Kamenz. Beide verursachten die heftigsten Schäden des Tages. Nachfolgend noch einige Eindrücke von der Freiberger Superzelle. Ich kam im Raum Freiberg über 1 h nach dem Unwetter an und fand weiterhin dicke Hagelansammlungen vor. Teils war der Hagel weiterhin 3-4 cm groß. Die größten Körner fielen dabei zwischen Großschirma, Kleinwaltersdorf und Kleinschirma (bis um 5 cm Korngröße in dieser Region, eventuell lokal auch einzelne Körner von 5-6 cm denkbar). In dem Gebiet und in den Orten wiesen zahlreiche Autos starke Blechschäden auf, sogar einzelne Scheiben sollen zu Bruch gegangen sein. Vereinzelt wurden auch Dachfenster eingeschlagen. In Kleinwaltersdorf und in Kleinschirma wurden sogar Dächer beschädigt. Die Felder in dem Bereich waren ebenso stark betroffen und oftmals ein Totalschaden. Dennoch muss man von Glück sprechen, dass die Zelle nicht über Freiberg gezogen ist. Dort hätte sie noch einen weit größeren Schaden verursacht. Tatsächlich ist Freiberg so gut wie garnicht vom Hagel betroffen gewesen - lediglich die Häuser Richtung Kleinwaltersdorf lagen noch in der Hagelschneise. Leider wurde hier auch ein Autohaus getroffen, was zu erheblichen Schäden führte.
Über 1 h nach dem Unwetter zwischen Großschirma und Kleinwaltersdorf...
Körner von 3-4 cm lassen sich noch finden...
Überall heruntergehageltes Laub...
Autos weisen zahlreiche teils tiefe Dellen auf...
Zerstörtes Maisfeld...
Auch direkt in Großschirma lassen sich noch beachtliche Hagelkörner finden...
Vom Hagel beschädigtes Dach in Kleinwaltersdorf...
Hagelansammlungen von >20 cm gab es durch die Superzelle zudem in Oberschöna. Hier war der Hagel zwar kleiner, aber fiel sehr dicht. Ebenso gab es in Langhennersdorf Hagelansammlungen wie auch in Großschirma. Durch den heftigen Starkregen gab es zudem Überschwemmungen, insbesondere in Großschirma und Oberschöna. Mehrere Feuerwehreinsätze waren die Folge. In Großschirma fiel zudem der Strom aus, wie auch in Siebenlehn. Durch schwere Sturmböen (lokal ev. auch orkanartige Böen) von 90-100 km/h (lokal ev. auch mehr) gab es zudem einige Sturmschäden. Dabei war besonders Oberschöna betroffen. Hier wurden große Äste abgerissen und ein großer Baum fiel auf die Straße. Astbrüche gab es auch in Wegefarth und Langhennersdorf.
Sturmschaden in Oberschöna...
Auch außerhalb des Freiberger Raumes gab es Probleme durch das Unwetter. Bei Euba trat 3-4 cm großer Hagel auf und verursachte ebenfalls Schäden an Fahrzeugen. Zwischen Zschopau und Flöha soll lokal sogar größerer Hagel von 4-5 cm (ev. auch etwas darüber) aufgetreten sein. Allerdings gibt es dort auch ausgedehnte Waldgebiete, sodass die Informationslage bisher eher dürftig ist.
Erneut gab es nach dem 22.06. eine Unwetterlage in Sachsen. Zwar sind die Auswirkungen diesmal bei weiten nicht so extrem wie nach der Superzelle am 22.06. in Teilen Ostsachsens, aber erneut gab es erhebliche Schäden. Dummerweise waren auch wieder Gebiete betroffen, die auch am 22.06. bereits schwer getroffen waren.
Tief Rasmund war allerdings immer noch über Mitteleuropa aktiv. Am 29.06. bildete sich ein neuer Kern über Böhmen und zog auf Vb-ähnlicher Zugbahn noch Nordosten. Dabei wurden starke konvektive Niederschläge ausgelöst. Über Teilen Bayerns trat dabei Starkregen von 50-60 mm in 15 h auf, lokal gab es auch mehr. Schlimmer aber erwischte es Brandenburg. Dort gab es in der wärmeren Luft noch lokale Gewitter im ausgedehnten Starkregengebiet, wodurch teils extreme Niederschlagsmengen zustande kamen. Westlich von Cottbus waren es um 100 mm Niederschlag in 12 h, wobei fast alles in wesentlich kürzerer Zeit fiel. Noch schlimmer erwischte es den Berliner Raum. Hier fielen 100-150 mm Niederschlag in 12 h, bei Oranienburg sogar über 200 mm! Grund war hier auch eine recht stationäre Gewitterzelle, welche zeitweise über dem Gebiet lag. In 24 h wurden in Berlin gar bis zu 200 mm, in Oranienburg über 240 mm gemessen. Es gab extreme Überflutungen in der Region, zumal in den flachen Gebieten was Wasser kaum abfließen konnte. Hunderte Feuerwehreinsätze waren die Folge, in Berlin wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Erst im Tagesverlauf des 30.06. zogen die Niederschläge langsam nach Norden ab und es floss rückseitig des Tiefs kühlere Luft ein.
Nachfolgend Bilder aus Brandenburg vom 29.06.2017. Vielen Dank an dieser Stelle an Bernd März, welcher in dem Gebiet unterwegs war und die Aufnahmen gemacht hat.
Überflutungen nahe Spremberg nach heftigem Dauerregen... (Foto: Bernd März)
Zahlreiche Straßen sind überflutet... (Foto: Bernd März)
Überall steht das Wasser und kann kaum abfließen... (Foto: Bernd März)
Schwere Überflutungen nach über 200 mm Niederschlag in 12 h in Oranienburg und im nördlichen Berliner Raum... (Foto: Bernd März)
© Michel Oelschlägel