27.06.06 Heftiges Unwetter mit Orkanböen und extremen Platzregen sowie Tornados
Nachdem Ostdeutschland, speziell auch Sachsen, in den vergangenen Tagen von den heftigen Gewittern/ Unwettern im Westen verschont geblieben ist, sollte sich dies im Laufe des 27.6.06 ändern. Eine kleine Multizelle zog bereits am Morgen über Baden-Württhemberg. Zusammen mit einsetzender Zellauslöse bildete sich aus dieser Multizelle eine kräftige Squallline ab 14 Uhr über Bayern, welche unter Verstärkung ostwärts zog und dabei nach Norden weiter anbaute. Anfangs sah es so aus, als würde Sachsen erneut verschont bleiben, doch eine intensive Zellogenese über dem Westerzgebirge führte zur Bildung eines neuen Aktivitätsbereiches der Squallline. Eine sehr heftige Zelle, möglicherweise sogar eine Meso, bildete sich über dem Landkreis Annaberg ab 16 Uhr. Diese Zelle verursachte Sturmböen, Hagel bis 3 cm und heftigen Platzregen im Landkreis. Allerdings verclusterten diese Zellen recht rasch zu einem MCS mit Squalllinestrukturen. Dieses entstandene Unwetter überquerte nun das Erzgebirge mit verbreitet schweren Sturm- und Orkanböen, teils extremen Starkregen und zahllosen Erdblitzschlägen. Erste Gebäudebrände in den Landkreisen Aue-Schwarzenberg, Annaberg und Chemnitz deuteten auf eine hohe Einschlagsgefahr dieser sehr aktiven Zellen hin. Mit der Squallline könnte Bernd März auf dem Fichtelberg zudem einen kurzlebigen Tornado beobachten, welcher 2 Minuten lang aktiv war und über tschechischem Territorium tobte. Über Schäden ist bisher nichts bekannt, es habe aber deutliche Rotation vorgelegen, was mehrere Passanten auch bestätigten.
Gegen 17 Uhr erreichte die erste vorgelagerte Zelle den Landkreis Freiberg. Auch diese Zellen waren bereits ungemein blitzreich, in Brand-Erbisdorf kam ich in heftigen Platzregen. Sturmböen gab es in Verbindung mit dieser Zelle noch nicht, aber schon teils erhebliche Wasseransammlungen. Diese Zelle zog Richtung Osten weiter. Da ich noch einige Blitzaufnahmen machen wollte, folgte ich ihr auch Richtung Osten, bis ich schließlich Richtung Weißeritzkreis und Dresden unterwegs war.
erste vorgelagerte Zellen mit heftigem Starkregen, welche im späteren Verlauf mit der Squall verclustern
Auf einer Anhöhe hatte ich anschließend einen guten Beobachtungspunkt gefunden und filmte das abziehende Gewitter. Umso beeindruckender war allerdings die neue Front, welche von Westen auf mich zu zog und welche ich erst gar nicht bemerkte. Eine beeindruckende Böenfront rauschte regelrecht heran, immer wieder gab es Blitzschläge.
heranziehende Böenfront
Gegen 18 Uhr überquerte sie mich mit ersten Sturmböen, rasch setzte nun heftiger Platzregen ein.
Überquerung der Böenfront, einsetzender Starkregen
Der Platzregen steigerte sich in seiner Intensität sehr rasch. Schließlich gab es einen extremen Wolkenbruch mit teils schweren Sturmböen.
erster extreme Starkregenphase, noch mit schweren Sturmböen
Nach 5 Minuten wurde dieser Wolkenbruch allmählich leichter, ich dachte schon es wäre vorbei. Doch plötzlich ging es erneut und noch viel heftiger zur Sache. Erneuter, extremer Platzregen - nun gepeitscht von orkanartigen Böen - rauschte über mich hinweg. Das Auto wackelte mit jeder Böe.
2. extreme Starkregenphase, diesmal aber mit orkanartigen Böen (Wet-Downburst)
Nun gab es auch verbreitet Naheinschläge, ununterbrochen krachten Blitze im Umkreis von 50-100 m um mich herum in die anliegenden Felder, ein Blitzschlag war sogar nur etwa 20-30 m entfernt, gefolgt von einen extrem lauten Donnerschlag, der das Auto erzittern lies. Nach weiteren 5 Minuten wurde das Unwetter allmählich leichter, dennoch gab es weiterhin heftige Entladungen um uns herum, überall stand das Wasser.
nachlassender unwetterartiger Platzregen
Naheinschläge, leider meist auf der anderen Seite des Autos, sodass ich keinen direkt oder nur teilweise filmen konnte
In den folgenden Minuten konnte ich noch einige Blitze aufnehmen, welche immer wieder die abziehende Zelle aufleuchten lies. Es donnerte dabei fast ununterbrochen.
weitere, sehr kräftige Entladungen auf der Rückseite des Gewitters
Nach weiteren 10 Minuten verließ ich meinen Standort und fuhr Richtung Freiberg zurück, da ich in dieser Richtung eine große Rauchwolke ausmachen konnte. Anscheinend hatte hier ein Blitz eingschlagen.
Brand bei Flöha
Überall in Freiberg lagen große Äste herum, es gab erhebliche Wasseransammlungen. Richtung Dresden und im Gebiet meines Fotostandortes beim Unwetter waren die Schäden aber erheblich höher. Die Niederschlagsmengen belaufen sich hier auf bis zu 60 Liter in gerade mal einer halben Stunde. Zahlreiche Bäume sind umgebrochen, Schienenwege und Straßen waren wegen des Regenwassers, Schlammausspülungen, Unterspülungen und Windbruch blockiert. Aber auch in Brand-Erbisdorf gab es erhebliche Wasserschäden. Ein dortiger kleiner Regenwassergraben, durch welchen sich normalerweise ein kleiner Bach schlängelt, trat nach den erheblichen Niederschlägen vor allen im Brand-Erbisdorfer Stadtteil St. Michaelis über seine Ufer und unterspülte die anliegende Straße und zahlreiche Grundstücke. Die Straße war dementsprechend von der Polizei abgesperrt worden. Feuerwehren bestimmte an diesem Abend das Stadtbild, Sturmschäden wurden besseitigt oder Sandsackbarrieren aufgebaut, um eindringende Wasserfluten abzuhalten. Die Rauchwolken, welche ich gesehen hatte, stammten übrigens aus dem Gebiet Flöha, wo ein Gehöft nach Blitzschlag abgebrannt war.
zahlreiche Feuerwehreinsätze wegen Überschwemmungen von Straßen, Grundstücken und Kellern in Brand-Erbisdorf
Das ist normalerweise nur ein kleiner Regenwassergraben!!! (Oberschöna bei Freiberg)
In Freiberg selbst meist nur abgebrochene, große Äste - weiter nördlich und östlich davon erhebliche Windschäden
Überall in Südsachsen gab es viele Schäden durch orkanartige Böen, teils Orkanböen und heftigen Starkregen. Weiterhin ereigneten sich mehrere Gebäudebrände nach Blitzschlägen. Zwei Personen wurden verletzt, eine davon durch einen Blitzschlag. Im Bereich Dippoldiswalde (Weißeritzkreis) gibt es noch einen weiteren Tornadoverdachtsfall, mehrere Augenzeugen bestätigten den möglichen Tornado. Auch gab es hier erhebliche Schäden!
Die Temperatur hatte nach dem Unwetter erheblich abgekühlt. So waren es vor dem Gewitter noch schwülwarme 32 °C, nach dem Gewittersturm gerade noch 15 °C. Es waren die bisher schwersten Unwetter in diesem Jahr in Sachsen, zusammen mit den Gewittern am 16.6.06.
abziehendes Gewitter, im letzten Bild sind auch Rauchschwaden eines Hofbrandes nach Blitzschlag zu erkennen
© Michel Oelschlägel
Datum: 21. November 2024