23. August 2007: Heftige Gewitter und starke HP-Superzelle

 

Ähnlich wie am Vortag, an dem es bereits zahlreiche heftige Gewitter im Osten das Landes gab, lenkte ein Tiefdrucksystem über Mitteleuropa auch am 23.8. wieder feuchte und schwül-warme Luft bis 25 °C in den Osten des Landes. Diesmal aber waren die Bedingungen hinsichtlich CAPE und LI noch besser als am Vortag. Auch die Scherung war im Bereich des Erzgebirges markant, vor allem in den unteren Schichten.

 

Ein Gewittersystem zog bereits im Laufe der Nacht von BW nach Bayern und von dort Richtung Norden. Im Bereich des Fichtelgebirges entstand etwa gegen 5:00 Uhr eine weitere Gewitterzelle, welches mit bis zu 63 dBZ Richtung Norden wanderte, später jedoch nach Tschechien abdrehte und sich am Erzgebirge entlang hangelte. Im Bereich Aue-Schwarzenberg sollte dieses Gewitter gegen 7:30 Uhr wieder den Kamm überqueren. Das System war zu diesem Zeitpunkt noch sehr blitzaktiv und mit 55-59 dBZ auch gut entwickelt. Zusammen mit der aufgehenden Sonne bot sich in der noch recht kühlen Luft eine wirklich geniale Stimmung.

 

 

 

Aufziehendes Gewitter am Morgen...

 

Blitz mit Regenbogen :-)

 

 

 

Weitere Entladungen aus diesem System...

 

Das System schwächte sich jedoch mit der Überquerung des Erzgebirgskammes merklich ab, es gab anschließend nur noch stärkeren Regen.

 

Abziehendes, auslaufendes Gewitter...

 

Unterdessen hatte sich schon seit einiger Zeit an der Ostflanke des von BW hereinziehenden Clusters eine Superzelle entwickelt. Dadurch pflanzte sich das System trotz nordlicher Bewegungskomponente auch nach Osten fort. Allerdings fiel diese gegen 10 Uhr über Nordbayern zusammen. Einige neue Zellen, welche von Tschechien nach Sachsen hineinzogen, brachten nur Starkregen und einige Entladungen mit sich.

 

Entladung aus einer Zelle gegen 10:30 Uhr

 

Eigentlich hatte ich schon alle Hoffnung aufgegeben, da der Cluster über Nordbayern Richtung Thüringen zog. Doch dann bildete sich eine neue Zelle an der südöstlichen Flanke des System. Gegen 11.30 Uhr lag diese Zelle noch im südlichen Vogtland. Doch unter Verstärkung scherte das neu entstandene Gewitter massiv rechts aus und bewegte sich direkt in den Landkreis Aue-Schwarzenberg hinein. Unter Dauergrummeln zog das Gewitter nun am Horizont auf. Mehr und mehr wurden langsam die Konturen sichtbar. Immer wieder blitze es - auch weit entfernt vom Kern schlugen Blitze aus dem Amboss der Zelle heraus ein. Zudem wurden auch bedrohliche Wolkenabsenkungen erkennbar. Die Stimmung war nun bald darauf wahrlich unheimlich, es wurde stockfinster und die Dynamik des Gewitters war enorm. Erschrocken bin ich, als ich die gewaltige, laminare Basis ausmachen konnte, welche sehr stark rotierte!

 

 

 

 

Aufziehende Superzelle

 

Auch hinter der rotierenden Basis herum bis zum RFD erstreckte sich der Niederschlagsbereich, welcher teils in tiefes Gelb getaucht war. Eine Superzelle war entstanden und bewegte sich rasch auf meinen Standort zu. Mich traf anschließend der Niederschlagsbereich etwas nordwestlich der Basis/Wallcloud.

 

kleines Panorama der Superzelle

 

 

 

 

 

 

Bedrohliche Stimmung

 

Enorm waren die riesigen Tropfen zu Beginn des Unwetters (ca 12:10 Uhr) - schon da war mir klar, dass hier etwas Heftigeres auf mich zu kommt. Es begann am Anfang stark zu regnen, bis schließlich ein richtiger Wolkenbruch daraus entstanden war. Nach etwa 2-3 Minuten wurde es wieder heller, doch jetzt ging es erst richtig los! Schwere Sturmböen peitschten auf einmal durch den Ort, und die ersten Hagelkörner knallten aus den Wolken. Anschließend ging ein Hagelsturm nieder, Böen anfangs bei Bft. 9-10, dazu Hagel meist bis 2,5 cm - teils waren auch größere Geschosse dabei! Die Geräuschkulisse war beängstigend, da der Wind die Körner mit unglaublicher Wucht überall dagegen drückte.

 

Heftiger Starkregen zu Beginn des Unwetters

 

Nun setzt Hagel ein!

 

 

 

Hagelsturm

 

Nach etwa 2 Minuten wurde das Unwetter wieder schwächer, es gab aber noch eine ganze Weile lang Starkregen. Die folgenden Bilder zeigen die Hinterlassenschaften des Unwetters in Bernsbach. Nach dem Wolkenbruch waren die Körner immer noch 2-2,5 cm groß, obwohl sie im Starkregen schon angeschmolzen waren. In den 7 Minuten sind 18 Liter herunter gekommen!

 

 

 

 

 

 

 

Hagel in Bernsbach, meist zwischen 1,5 und 2,5 cm groß, teils aber auch größer

 

Im Anschluss bin ich eine kleine Runde gefahren, um zu schauen, ob es in der Umgebung noch größeren Hagel gab. Und tatsächlich. Im westlichen Teil des Ortes Grünhain Richtung Bernsbach sah es wüst aus - Hageldecke, heruntergehageltes Laub, teils entlaubte Bäume und gespenstischer Nebel. Die größten Körner fielen zwischen den Orten Grünhain und Bernsbach und waren hier etwa 20 Minuten nach dem Unwetter immer noch meist 3-3,5 cm, teils auch bis 4 cm groß! Hier gab es in Verbindung mit dem schweren Sturm auch Hagelschäden an Fahrzeugen.

 

 

 

 

 

heruntergehageltes Laub zwischen Grünhain und Bernsbach

 

Einige Autos hatten auch Dellen im Blech, hier am Ortsausgang Grünhain Richtung Bernsbach

 

 

 

Körner bis 3,5 cm

 

Diese Körner erreichten sogar eine Größe von 4 cm!

 

 

Hagel mit 3-4 cm (Durchmesser) am Spiegelwald zwischen Bernsbach und Grünhain

 

Noch schlimmer war es Richtung Ehrenfriedersdorf (Landkreis Annaberg). Dort ist das Unterdorf "abgesoffen" und Schlammlawinen wälzten sich durch einige Teile des Ortes. Daher kam es auch zur Sperrung der B 95 in Richtung Thum. Auch der Pennymarkt im Ort ist überschwemmt worden. In Venusberg drang eine Schlammlawine in eine Wohnsiedlung ein, es gab auch hier erhebliche Schäden.

 

überschwemmter Pennymarkt in Ehrenfriedersdorf

 

Hochwasser der Zwönitz in Thalheim

 

Zudem gab es Sturmschäden und einige Tornadoverdachtsfälle, unter Anderem im Landkreis Annaberg und Freiberg. Auch führten dutzende Bäche nach dem Unwetter Hochwasser. Im gesamten Erzgebirge und Erzgebirgsvorland verursachte die Superzelle erhebliche Überschwemmungen und Hagelschäden. So kamen im Bereich Annaberg, im Mittleren Erzgebirgskreis sowie im Landkreis Freiberg örtlich Hagelkörner von 5-7 cm Durchmesser herunter. Richtung Ostsachsen gab es ebenfalls Körner dieser Größe! Damit verbunden waren auch größere Hagelschäden. Erst nach 5 h schwächte sich die Superzelle über der Grenze zu Polen langsam ab, nachdem sie teilweise Reflektivitäten von >63 dBZ aufwies. Doch selbst am Abend, 5 h nach dem Ereignis, konnte man in den Wäldern noch reichlich Hagel finden...

 

Damit endete ein sehr ereignisreicher, wenn auch sehr schadensträchtiger Unwettertag in Sachsen.

 

Folgend soll die erwähnte Superzelle in einer umfassenden expliziten Analyse nochmals hinsichtlich ihrer Entstehung, Entwicklung und dem verursachten Schadensverlauf betrachtet werden. Dabei wurde unter anderem auch auf hochauflösendes Radarmaterial zurückgegriffen.

 

Analyse der Superzelle am 23.8.07

 

© Michel Oelschlägel

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