Superzelle bei Gera und heftige Unwetter in und um Freiberg am 13.07.2021
Ein Höhentief über Westeuropa, assoziiert mit dem Bodendrucksystem Bernd, führte am 13.07.2021 energiereiche Warmluft nach Ostdeutschland. In dieser Luftmasse bildete sich ein kleineres Tief in Tschechien, welches nachfolgend nordwärts zog. Dadurch wurden am Thüringer Wald gegen 15:30 Uhr erste Gewitter ausgelöst, welche von Hof bis in den Thüringer Wald nachfolgend lokal heftige Sturzfluten mit teils um oder über 100 mm in 1-2 h auslösten. Es gab mancherorts schwere Überschwemmungen. Doch auch im Vorfeld der Front löste es nachfolgend zwischen Gera und Werdau Gewitter aus. Dieses System fuhr ich aus Sachsen kommend an. Das doppelkernige System zog dabei langsam nach NW. Die östlichere Zelle des Systems konnte sich nachfolgend durch die von Osten einströmende energiereiche Luft, die durch das südlich liegenden Bodentief angesaugt wurde, besser entwickeln und organisierte sich zunehmend zu einer fotogenen Superzelle. Vor allem ab 18:30 Uhr zeigte das Gewitter eine sehr schöne und gut rotierende Mesozyklone und bildete eine sehr dynamische Wallcloud aus, die recht tief über die Gegend zog (siehe auch Zeitraffer im Video unten). Das Geschehen beobachtete ich zu diesem Zeitpunkt nahe des Ortes Vogelgesang. Zu dieser Zeit bestand durchaus eine erhöhte Tornadogefahr an dieser Zelle, bevor später ein stärkerer Outflow die Mesozyklone unterlief und die Wallcloud zeitweise auflöste. In dieser Zeit war das Gewitter eher grenzschichtentkoppelter Natur, da in der Höhe immer noch energiereiche Luft im System ankam, bodennah aber kühlere Luft aus dem Niederschlagskern dominierte – zumindest kurzzeitig. Die Zelle selber blieb aber auch weiterhin hochaktiv und produzierte zwischen Gera und Ronneburg bis fast runter nach Greiz heftigen Starkregen und Sturm, teils schweren Sturm.
Superzelle gegen 18:30 Uhr südöstlich von Ronneburg...
Eine rotierende und dynamische Wallcloud entsteht...
Die Ausprägung wird immer deutlicher...
Kurz darauf wird die Mesozyklone langsam vom Abwind (Outflow) unterlaufen und ist zeitweise grenzschichtentkoppelt...
Zunächst ist die Dynamik in der Wallcloud aber noch sehr beeindruckend...
Ich fuhr nachfolgend von Reust nach Russdorf südlich von Ronneburg in den Core der Zelle. Heftiger Starkregen und Sturm, gepaart mit anfangs kleinen Hagelkörnern, setzte hier ein. Östlich von mir zeigte die Aufwindbasis zu dem Zeitpunkt wieder etwas mehr Struktur. Durch den heftigen Starkregen hab es bereits erste Überschwemmungen. Ich kehrte anschließend um und fuhr Richtung Ronneburg, wobei ich kurz aus dem Niederschlagskern wieder raus kam. In Ronneburg setzte gegen 19:00 Uhr heftiger Starkregen ein, es gab bereits Überschwemmungen in der Stadt. Ich verlegte anschließend weiter nach Gera-Trebnitz. Zwischen Ronneburg und Gera-Trebnitz war der Starkregen am heftigsten und wurde durch den Sturm regelrecht über die Landschaft gepeitscht. In Trebnitz gab es nochmal kurzzeitig kleinen Hagel, bevor das System weiter nach Norden zog und sich später erst südlich von Leipzig auflöste.
Nach einer kurzen Phase mit weniger Struktur - die Mesozyklone erholt sich wieder...
Zwischen Reust und Russdorf setzt heftiger Starkregen und Sturm ein...
Sturm und sehr heftiger Starkregen zwischen Ronneburg und Gera-Trebnitz...
Durch den heftigen Starkregen mit verbreitet >30 mm, teils bis 60 mm in 1 h gab es vielerorts erhebliche Überschwemmungen. Gera hatte noch Glück, aber gerade kleinere Orte - vor allem östlich der Stadt - wurden heftig getroffen. Schlammlawinen von den Feldern, Überschwemmungen, vollgelaufene Keller und teils kleinere Sturmschäden (meiste kleine bis mittlere Astbrüche, vereinzelt auch große Ausbrüche aus Kronen oder umgestürzte Bäume) sowie heftige Hochwasser an einigen kleineren Bächen führten zu mehr als 150 Feuerwehreinsätzen in dem Gebiet. Gerade die ausufernden Dorfbäche überfluteten Straßen, Grundstücke und Häuser. Es gab teils erhebliche Schäden.
Schlamm und Wasser schießt vielerorts über die Straßen - wie hier bei Trebnitz...
Weitere Bilder von den Überschwemmungen in dem Gebiet...
Im Hintergrund zeigt sich, dass gerade kleinere Bäche im Durchzugsgebiet ein teils erhebliches Hochwasser abführen...
Ich verlegte aber anschließend nach Sachsen zurück, da mittlerweile in Tschechien heftige Gewitterzellen entstanden waren, die nordwärts auf das Erzgebirge und später auf weitere Teile Sachsens ausgriffen. Eine starke Zelle überschritt dabei südlich von Marienberg kurz nach 19 Uhr die Grenze zu Sachsen und löste eine schwere Sturzflut bei Steinbach aus, wobei auch eine Person von den Wassermassen weggespült wurde. Das Gewitter zog anschließend nordwärts bis in den Raum Oederan, wo ich die Zelle gegen 20:30 Uhr abfing. Auch weiter westlich gab es Neubildungen, besonders im Raum Schwarzenberg. Bei Oederan konnte man von Süden her die stark blitzende Gewitterzelle aus Marienberg erkennen, doch auch im Freiberger Raum gab es nun kräftige Neubildungen, welche mit der Marienberger Zelle verclusterten. Anfangs gab es dabei östlich von Freiberg auch dichten kleinkörnigen Hagelschlag bis maximal 2 cm, bevor die Zelle auf dem Weg über Freiberg immer weniger Hagel abwarf, aber eben weiter heftigen Starkregen mit sich brachte. Die Gewitter verclusterten nun genau über dem Freiberger Raum und insbesondere in Freiberg schüttete es etwa 1 h wie aus Eimern. Ich verlegte von Oederan über Mobendorf und Nossen Richtung Freiberg und kam gegen 21:30 Uhr in den Kern des Freiberger Unwetters bei Großvoigtsberg. Sehr heftiger und von stürmischen Böen/ Sturmböen getriebener Starkregen ging hier runter, dazu fielen zeitweise kleine Hagelkörner mit <1 cm im Durchmesser. Auch die Blitzrate war bemerkenswert mit meist um 20 (zeitweise auch mehr) sichtbaren Entladungen pro Minute.
Ein Unwetter zieht gegen 20:30 Uhr über Oederan in Mittelsachsen auf...
Heftiger Starkregen und stürmische Böen setzen ein...
Heftige Bedingungen etwas nördlich von Freiberg bei Großvoigtsberg - Sturm und sehr heftiger Starkregen...
Im Raum Freiberg fallen erhebliche Regenmengen mit punktuell bis zu 100 mm in ca. 1 h!
Zögerlich zog das Unwetter über Nossen nach Norden ab, während weiter südöstlich noch weiter starke Gewitter am Freiberger Raum vorbeizogen. Später bildete sich aus den Zellen eine große Gewitterlinie, die es noch bis nach Berlin schaffte. Ich fuhr aber nun Richtung Freiberg zurück. In Freiberg herrschten chaotische Zustände, wenngleich bei meiner Ankunft schon viel Wasser an manchen Stellen wieder abgelaufen war. Durch das Unwetter fielen hier 40-80 mm, punktuell auch bis zu 100 mm Niederschlag in etwa 1 h. Diese Wassermassen in der kurzen Zeit blieben nicht ohne Folgen. Es gab teils schwere Überflutungen in dem Gebiet, Teiche und Rückhaltebecken liefen über, der Münzbach und der Goldbach führten ein massives Hochwasser ab. Zahlreiche Keller und Häuser standen unter Wasser. Das Wasser beschädigte auch unzählige Autos, insbesondere im Bereich der Ehernen Schlange, wo ein großer Parkplatz teils gut 1 m unter Wasser stand. Die Feuerwehren waren im Dauereinsatz und arbeiteten in Freiberg mehr als 140 Feuerwehreinsätze ab. Auch die Wehren aus der Umgebung eilten zu Hilfe, ebenso wie das THW.
Heftiges Hochwasser im Freiberger Münzbachtal am Münzbach - das Wasser stand vorher noch 20-30 cm höher als auf dem Bild...
Im Münzbachtal stehen zahlreiche Häuser und Keller unter Wasser...
Überschwemmungen durch den Goldbach in Freiberg - auch hier ist das Wasser schon wieder etwas zurückgegangen, wie man am Auto sieht...
Auch zahlreiche Teiche in Freiberg, wie hier die Kreuzteiche, laufen über...
Auch im Umland von Freiberg gab es Hochwasser an Bächen und Überschwemmungen sowie Feuerwehreinsätze, aber in deutlich kleinerem Ausmaß. Der Schadensschwerpunkt in dem Gebiet lag diesmal direkt in Freiberg. Neben Schäden in und an Häusern und an Autos wurden auch Wege und Straßen unterspült oder beschädigt. Dennoch haben die vielen Regenrückhaltebecken, die in den letzten Jahren gebaut wurden, vielfach noch schlimmere Schäden verhindern können – wenngleich diese Systeme ihre Grenzen haben. Und die Heftigkeit dieses Unwetters war eben dann doch zu viel.
Hier noch ein Chasing-Video zu den heftigen Gewittern bei Gera und im Raum Freiberg am 13.07.2021:
Video zum Gewitterchasing… (externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=gZyxs6sawp8)
In den Folgetagen verursachte das Tief Bernd noch weitere schwere Unwetter. Rückseitig fielen am 14. des Monats in Rheinland-Pfalz und in weiten Teilen NRWs durch konvektiv geprägten Dauerregen mehr als 100 mm, teils über 150 mm Niederschlag in 24 h. Im Eifelstau waren es sogar deutlich über 200 mm, punktuell sogar über 250 mm in 24 h. Es folgte hier ein extremes Hochwasser, insbesondere im Ahrtal. Deutlich über 100 Opfer verursachten die Flutwellen - eine erschreckende Bilanz neben den katastrophalen Schäden. Auch am 15.7. gab es lokale Gewitter mit Überschwemmungen in Deutschland, u.a. im Bereich Oederan in Mittelsachsen. Am 17.7. erwischte es dann durch Gewitter und konvektiv geprägten Dauerregen vor allem die Sächsische Schweiz (bis um 100 mm Regen in 24 h) und den südöstlichsten Alpenrand von Deutschland sowie Teile Österreichs (teils >200 mm in 36 h). Erst danach beruhigte sich das Wetter in Deutschland und das Unwettertief zog nach Osten ab. Zurück bleiben teils schwerste Schäden und viele traurige Schicksale…
© Michel Oelschlägel