Superzelle und weitere schwere Gewitter im Erzgebirge am 25.06.2016
Ausgangslage
Mehrere Tiefs über den Britischen Inseln mit Zugbahn Richtung Nordeuropa und ein kräftiges Hochdruckgebiet über Osteuropa führten vom 23. bis 25. Juni zur ersten Hitzewelle in Deutschland im Jahr 2016. Zwischen den genannte Druckgebilden wurde feucht-heiße Luft aus dem Mittelmeerraum nach Mitteleuropa geführt. So wurden am 23. Juni bereits Temperaturen von teils über 30°C erreicht. In Sachsen lagen die Höchstwerte zwischen 28 und 30°C. Vor allem im Nordwesten Deutschlands bildeten sich - begünstigt durch die nähere Lage zu den angesprochenen Tiefs über den Britischen Inseln und dem damit verbundenen Hebungsantrieb - in der schwül-heißen Luftmasse teils schwere Gewitter. Diese gingen vor allem mit heftigem Starkregen, Großhagel und schweren Sturm- sowie teils Orkanböen einher. Hagelkörner erreichten dabei Korndurchmesser von >7 cm Durchmesser, beispielsweise in Belgien.
Am 24. Juni erreichte die Hitzewelle in weiten Teilen Deutschlands ihren Höhepunkt. Temperaturen von teils über 36°C wurden erreicht - in Sachsen lagen die Höchstwerte bei 34-35°C. Lediglich im Nordwesten und Westen Deutschland floß bereits kühlere und stabilere Luft ein - die Temperaturen lagen nur noch bei 23-28°C. Vor allem im Südwesten über Baden-Württemberg bildeten sich an diesem Tag schwere Gewitter und Superzellen, wobei eine Superzelle bei Reutlingen teils über 8 cm großen Hagel hervorbrachte. In Sachsen passierte an diesem Tag noch nichts, lediglich Richtung Hessen, Westthüringen und Sachsen-Anhalt zogen heftige Gewitter durch. Über dem Süden Deutschlands bildete sich am Abend ein Hitzetief, welches auch für die heftigen Entwicklungen im Südwesten verantwortlich war. Dieses Tief bekam den Namen Marine und zog langsam und unter Verstärkung Richtung Nordwesten.
Am 25. Juni bildeten sich im Rahmen der besagten Tiefpassage in weiterhin schwül-heißer Luft vor allem Osten heftige Gewitter. Zuvor wurden vor allem in Brandenburg noch Temperaturen von bis zu 35°C erreicht, in Sachsen noch 27-34°C. Über dem Erzgebirge bildeten sich bereits gegen 11:30 Uhr erste Gewitter, vor allem bei Dippoldiswalde und im Bereich Aue-Schwarzenberg. Die Gewitter im Westerzgebirge entwickelten sich zunehmend kräftiger und gingen bereits mit heftigem Starkregen einher. Gegen 12:30 Uhr war insbesondere der Raum Aue, Lauter-Bernsbach und Zwönitz betroffen. Hier ging heftiger Starkregen mit Hagel von teils 1-2 cm im Durchmesser runter. Auch die Blitzraten stiegen immer weiter an und die Gewitter konnten sich rückseitig des besagten Tiefs durch Zunahme der Windscherung (Windzunahme in der Höhe und Richtungsänderung mit der Höhe) immer besser organisieren.
Chasingbericht
Ich war derweil im Raum Zwönitz unterwegs und konnte heftigen Starkregen auf dem Weg nach Elterlein dokumentieren. Gleichzeitig - es war etwa 12:50 Uhr - entwickelte sich jedoch im Raum Annaberg am Ostende der bisher bestehenden Gewitter - die zunehmend ein Mulizellensystem bildeten - ein neues Gewitter, welches unser Chaser Bernd März beobachten konnte. Dort bildete sich rasch eine rotierende Wolkenbasis - die Geburt einer Superzelle. Ich beschloss daher, diese Neubildung anzufahren und die unwetterartigen Gewitter um Zwönitz herum erst einmal hinter mir zu lassen.
Kräftige Gewitter über Zwönitz
Heftiger Starkregen zwischen Elterlein und Zwönitz
Nach dem Starkregenkern Richtung Elterlein...
Entstehende Superzelle über Annaberg - Aufnahme: Bernd März
Superzelle über dem Großraum Annaberg - Aufnahme: Bernd März
Richtung Wolkenstein konnte ich bei Geyer gegen 13:05 Uhr die dunkle Rückseite der entstandenen Superzelle beobachten. Ab Neuendorf in der Höhe "Kalter Muff" lag bereits Hagel in den Straßengräben. Zugleich hatte hier ein Blitz eine Fichte gespalten, die Splitter des Baumes lagen auf der Straße. Der Baum wurde später von der Feuerwehr gefällt. Ich fuhr derweil weiter Richtung Falkenbach, wo rückseitig der Zelle Hagelschlag mit Körner von 2-3 cm Größe einsetzte. Bei Falkenbach steigerte sich der Hagel auf Korngrößen bis 4 cm, wobei die größten Körner sehr vereinzelt fielen. In Schönbrunn nahm die Hagelgröße vorrübergehend etwas ab, allerdings setzten nun auch heftiger Starkregen und stürmische Böen ein. Ich hielt erst einmal an und ließ den Kern über mich hinwegziehen. Das war etwa gegen 13:15 Uhr.
Rückseite der Superzelle zwischen Falkenbach und Geyer
Einsetzender Hagel (bis 4 cm) und Starkregen bei Falkenbach nahe Wolkenstein...
Nachdem ich in Schönbrunn gestoppt hatte, fielen kurz darauf auch hier erste Hagelkörner mit einem Durchmesser von bis zu 3 cm vom Himmel. Die mittlere Größe lag bei etwa 1-2 cm. Der Hagel wurde zunehmend dichter, später gab es auch einzelne Hagelkörner von 4-5 cm im Durchmesser. Das Ganze dauerte etwa 5 min, danach zog der Hagelkern Richtung Wolkenstein weiter. Ich sammelte nachfolgend einige der Körner auf und fuhr nachfolgend Richtung Scharfenstein weiter, bog dann jedoch Richtung Gehringswalde ab. Überall waren die Straßen von Laub bedeckt, welches der Hagel von den Bäumen gerissen hatte. Zudem gab es Überflutungen und Ausspülungen. In Gehringswalde setzte erneut Hagel ein, wieder mit maximalen Körngrößen um 3 cm - wobei zuvor wohl auch größere Körner gefallen waren. Ich fuhr weiter durch den Hagel Richtung Hilmersdorf.
Großhagel bis 5 cm in Schönbrunn nahe Wolkenstein
Fahrt Richtung Gehringswalde - immer wieder gibt es Überflutungen
Zeitgleich dokumentierte unser Chaser Bernd März, der seinen Standort mittlerweile von Annaberg Richtung Marienberg verlegt hatte, den Aufzug der Superzelle über Wolkenstein bis Hilmersdorf.
Blick auf die Superzelle über Wolkenstein von Marienberg aus - Aufnahme: Bernd März
Superzelle über Wolkenstein - Gehringswalde - Aufnahme: Bernd März
Superzelle über dem Gebiet Hilmersdorf - Aufnahme: Bernd März
Währenddessen war ich auf dem Weg nach Hilmersdorf. Der Starkregen wurde nun immer heftiger und es setzte extremer Regen und dichter Hagel ein. Die maximalen Korndurchmesser lagen um 3 cm. Ab dem Ortseingang Hilmersdorf - es war mittlerweile 13:30 Uhr - gab es auch einzelne große Körner von 4 bis 5 cm im Durchmesser. Zugleich wurde der Hagelschlag noch dichter - die Kulisse war wirklich beeindruckend. Überall suchten Autofahrer Schutz unter Bäumen, von denen es unablässig Blätter und Äste abschlug. Auch der Wind legte noch etwas zu, sodass ich mir selber bald etwas Sorgen um meine Autoscheiben machte. Daher stoppte ich nahe des Gewerbegebietes bei Hilmersdorf und wartete den Durchzug des Gewitters ab.
Hagelkern in Hilmersdorf - Hagel bis 4 cm, teils bis 5 cm Größe fällt hier zu Boden...
Autofahrer suchen unter Bäumen Schutz vor dem Hagel...
Laub und kleine Äste werden von den Bäumen abgeschlagen...
Kurz nachdem ich das Gewerbegebiet erreichte, setzte dichterer mittelgroßer Hagel ein. Die mittlere Korngröße lag dabei bei 2-3 cm im Durchmesser! Die größeren Körner erreichten eine Größe von 3-5 cm, wobei die größten Hagelschlossen über 4 cm eher vereinzelt in geringer Falldichte fielen. Dieser Hagelschlag hielt für einige Minuten an und nachfolgend ging die Hagelgröße wieder zurück. Es gab anschließend noch etwa 5 min lang dichten Starkregen mit Hagel bis 2 cm im Durchmesser, anfangs auch noch vereinzelt einige Körner um 3 cm. Durch den nun dicht fallenden kleinkörnigen Hagel gab es teils Hagelansammlungen und "angezuckerte" Wiesen. Nachfolgend zog der Niederschlagskern weiter Richtung Lengefeld weiter. Derweil war im Raum Großolbersdorf nahe Hilmersdorf die Feuerwehr im Dauereinsatz. Wasser floß von den angrenzenden Feldern in den Ort und führte zu zahlreichen Einsatzstellen. Auch anderenorts war die Feuerwehr im Einsatz.
Gewerbegebiet Hilmersdorf - dichter Hagel von 2-3 cm im Durchmesser, teils bis 4 cm - einzelne Körner erreichen sogar eine Größe von 4-5 cm!
Nach einigen Minuten werden die Körner wieder kleiner - dennoch hält der heftige Starkregen und nun kleinkörnigere Hagel an...
Rückseitig der Superzelle - Blick von Hilmersdorf nach Gehringswalde
Überflutete Felder bei Hilmersdorf...
Erhebliche Überflutungen gibt es im benachbarten Großolbersdorf - Aufnahme: Bernd März
Ich verfolgte das Unwetter weiter in den Freiberger Raum, wobei ich in Lengefeld wieder in den Gewitterkern kam. Anfangs gab es auch in der Region noch Hagel von 2-3 cm im Durchmesser, Hauptproblem war aber hier eher der wolkenbruchartige Starkregen. In Lengefeld rückte ebenfalls gerade die Feuerwehr in Folge des Unwetters aus. Zeitgleich gab es Richtung Pockau einige Sturmschäden durch schwere Sturmböen. So wurden zwischen Lengefeld und Pockau einige große Äste von den Bäumen gerissen. Die Superzelle vereinigte sich derweil mit einer stationären Zellen bei Großhartmannsdorf und zog dann weiter Richtung Ost-Nordosten.
Sturmschäden zwischen Lengefeld und Pockau - Aufnahme: Bernd März
Situation in Lengefeld - heftiger Starkregen und Überflutungen
Richtung Reifland weiterhin heftiger Starkregen...
Ich fuhrt derweil weiter von Lengefeld nach Reifland - es war mittlerweile 13:50 Uhr. Überall floß Wasser von den Feldern in die Täler, kleine Bäche waren mächtig angeschwollen. Hier und da gab es auch kleinere Astbrüche. In Reifland standen Straßen und Grundstücke unter Wasser. Weiter ging es nach Eppendorf und von dort Richtung Kleinhartmannsdorf. In Eppendorf war bereits ein kleiner Bach mächtig angeschwollen und überflutete Gärten und die Hauptstraße. Noch viel schlimmer sah es jedoch Richtung Kleinhartmannsdorf aus. Sturzbäche schossen von allen Seiten in den Ort, der kleine Bach im Ort trat massiv über die Ufer, Straßen, Häuser und Gärten standen teils einen halben Meter unter Wasser. Die Feuerwehr war im Dauereinsatz. Die Ortsdurchfahrt war nicht mehr befahrbar. Ich fuhr daher nördlich des Ortes Richtung Langenau weiter. Am Ortsausgang von Kleinhartmannsdorf Richtung Langenau hatte sich durch den hochwasserführenden - normalerweise kleinen - Bach ein riesiger See gebildet. Möglicherweise hat dieser unnatürliche See den Ort sogar vor noch schlimmeren Auswirkungen schützt, da hier viel Wasser abgestaut und zurückgehalten wurde. Zudem sah man hier viele Hagelansammlungen aus ursprünglich etwa 2-3 cm großen Körnen. Zeitweise sollen auch die Felder weiß vom Hagel gewesen sein. Allerdings taute viel gefallener Hagel durch den anhaltenen Wolkenbruch wieder ab.
Nahe Reifland - von den Feldern fließen Sturzbäche Richtung Tal...
Zwischen Eppendorf und Reifland...
In Eppendorf gibt es erhebliche Überflutungen...
Noch schlimmer erwischt es Kleinschirma - hier schießt das Wasser von den umliegenden Feldern in den Ort...
Die Feuerwehr ist im Dauereinsatz...
Im Ort Kleinhartmannsdorf - der Dorfbach tritt massiv über die Ufer...
Teilweise steht das Wasser gut 50 cm hoch auf Straßen und Grundstücken...
Kleinhartmannsdorf Richtung Langenau - Hagelansammlungen
Ortsausgang Kleinhartmannsdorf - hier wird ein sonst kleiner Bach zu einem großen See aufgestaut
Weiteres Bild aus der Region Eppendorf - Kleinhartmannsdorf - Aufnahme: Bernd März
Ich verlegte nun weiter Richtung Langenau und Brand-Erbisdorf. Die Superzelle wies mittlerweile ein markantes Hook-Echo (Hakenecho auf den Niederschlagsradar) auf, was auf deutliche Rotation hindeutete. In Langenau bereitete ebenfalls vor allem der Starkregen viele Probleme, der Dorfbach trat über die Ufer und Hangwasser setzte Straßen und Grundstücke unter Wasser. Auch der Brand-Erbisdorfer Ortsteil St.-Michaelis war vom Unwetter betroffen. Hier ergoss sich eine Schlammlawine in den Ort. Vielerorts war das Unwetter auch von Hagel begleitet, wobei die Korngrößen bei 1-2 cm im Durchmesser lagen - Richtung Großhartmannsdorf-Müdisdorf auch bei bis zu 3 cm. Einzelne Körner sollen lokal laut Augenzeigen auch bis zu 4 cm groß gewesen sein.
In Langenau ebenfalls Überflutungen...
Die Zelle streifte auch Freiberg, allerdings war das Unwetter zu diesem Zeitpunkt eher schwächer. Zum Glück, denn in Freiberg wurde gerade das Bergstadtfest von tausenden Besuchern gefeiert. Dennoch gab es auch hier heftigsten Starkregen und Hagel bis max. 2 cm im Durchmesser. Auch die Feuerwehr musste ausrücken. Das Gewitter zog weiter Richtung Wilsdruff und Radebeul. Anfangs zeigte die Zelle noch Rotation und verursachte Hagel mit Korndurchmessern von lokal um 3 cm, schwächte sich dann jedoch zunehmend ab. Das Gewitter blieb aber noch bis Senftenberg aktiv und löste sich erst nach 15:50 Uhr restlos auf.
Ich brach die Verfolgung des Gewitters bei Brand-Erbisdorf ab und versuchte Richtung Westerzgebirge nachfolgend aufziehende Gewitterzellen abzufangen. Nachdem das erste System mit mehreren Kernen und der angesprochenen Superzelle über Teile des westlichen und mittleren Erzgebirges gezogen war und sich später über Sachsen zunehmend auflöste, gab es bereits viele Feuerwehreinsätze im Durchzugsgebiet. Neben den Auswirkungen der Superzelle gab es vor allem um Zwönitz und Aue herum Feuerwehreinsätze. Hier gingen die Gewitter mit heftigem Starkregen und Hagel bis 2 cm im Durchmesser einher. Gerade in Zwönitz gab es Überflutungen und Schlammausspülungen. Keller und Grundstücke wurden überflutet. Die Zwönitz führte zudem Hochwasser und setzte in Dorfchemnitz Häuser und Straßen unter Wasser. Doch für die Schwarzenberger Region sollte es noch schlimmer kommen. Nach dem Unwetter vom Mittag bildeten sich am Nachmittag neue Gewitter, wovon 2 auch den Raum Aue-Schwarzenberg heimsuchten. Damit zogen die Gewitter auch über Regionen, die bereits zuvor von Starkregen betroffen waren. Die beiden neuen Gewitter (ebenfalls Superzellenverdachtsfälle!) gingen mit heftigem Starkregen und Hagel einher. Die erste Zelle dieser späteren Entwicklungen traf den Raum Aue-Schwarzenberg bereits zwischen 13:45 Uhr und 14 Uhr. Das Gewitter ging mit Hagel bis 2 cm, vereinzelt bis 3 cm einher. Da durch die vorangegangenen Regenfälle die Bäche bereits gut gefüllt waren und teils Hochwasser führten, verursachte der 2. Wolkenbruch vor allem in Beierfeld und Schwarzenberg erhebliche Schäden. In Beierfeld schoss das Wasser die Ortsdurchfahrt entlang Richtung Tal und spülte reichlich Pflastersteine aus. Straßen und Keller standen unter Wasser, die Feuerwehr war im Dauereinsatz. Sogar das THW wurde zur Absicherung eines unterspülten PKWs zu Hilfe gerufen. In Schwarzenberg gab es ebenso zahlreiche Überflutungen und Feuerwehreinsätze. Nicht besser wurde die Situation nach einer 3. Gewitterzelle, welche gegen 15 Uhr aus dem Raum Carlsfeld heraus aufzog. Das Gewitter verursachte anfangs Hagel mit Korndurchmessern um 3-4 cm. In Schwarzenberg waren es später immer noch um 2 cm große Körner. Erneut gab es Einsätze durch den Starkregen im besagten Gebiet, bevor sich die Gewitter im Westerzgebirge langsam abschwächten. Die Hauptgewitteraktivität zog sich nachfolgend nach Tschechien zurück und der Abend blieb im Erzgebirge weitgehend ruhig. Nach den Unwettern gab es allerdings einen wunderschönen Sonnenuntergang zu bestaunen (siehe dazu auch das Video von unserem Chaser Norbert Weichel: [youtube.de]). Durch Eisschirme der Gewitter in Tschechien bot sich eine orange-gelbe Abendstimmung mit beeindruckenden Wolkenformationen. Nachts gab es nur noch Regen und einzelne, schwache Gewitter. Lediglich Richtung Bautzen und Ostsachsen gab es noch unwetterartige Gewitter mit Starkregen und Sturmschäden. Am Folgetag war es bereits deutlich kühler, die Temperaturen erreichten nur noch knapp über 20°C.
Nachfolgend ein Video zur Superzelle. Das Video setzt sich aus Aufnahmen von mir und von Bernd März zusammen und dokumentiert vor allem die "Erzgebirgssuperzelle" im Raum Wolkenstein, Hilmersdorf, Lengefeld und Kleinhartmannsdorf:
(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=RH3wRjkBjik)
Schadensbetrachtung
Die Unwetter im Erzgebirge verursachten reichlich Schäden. Das Gewittersystem gegen Mittag verursachte um Zwönitz herum verbreitet Niederschlagsmengen von >50 mm in 1-2 h. Ähnliche Summen traten auch in Mittelsachsen an diesem Gewitterkomplex mit der angesprochenen Superzelle am Ostende auf. So fielen bei Hilmersdorf ebenfalls um 50 mm Niederschlag in 1 h, wobei davon gut 40 mm in 30 min durch die Superzelle fielen. Insgesamt brachte diese verbreitet 20-30, teils um 40 mm Niederschlag in 20-30 min. Entsprechend gab es zahlreiche Feuerwehreinsätze durch den Starkregen, vielfach gab es Schlammlawinen, Ausspülungen und Hochwasser an kleineren Bächen. Besonders betroffen war Großolbersdorf, Eppendorf und insbesondere Kleinhartmannsdorf. In Kleinhartmannsdorf gab es - nach Aussagen der Anwohner - das größte Hochwasser seit mindestens 70 Jahren. Die Auswirkungen waren schlimmer als zur Jahrhundertflut 2002. Straßen wurden unterspült, Brücken beschädigt, Häuser (Keller, Wohnungen) liefen voll.
Hagel trat abseits der Superzelle in dem ersten Gewitterkomplex, welcher von der Mittagszeit an langsam Richtung Mittelsachsen zog, mit Korndurchmessern von 1-2 cm auf. Die Superzelle selber brachte es auf verbreitet 3-4 cm im Durchmesser zwischen Falkenbach und Lengefeld, teils trat Hagel um 5 cm im Durchmesser auf. Später lagen die Korndurchmesser durch die Superzelle im Raum Freiberg noch vielfach bei 1-3 cm, lokal auch über 3 cm im Durchmesser. Nennenswerte Hagelschäden gab es vor allem im Bereich von Falkenbach bis Lengefeld. Hier wurden auch viele PKW durch den Hagel beschädigt. Besonders schlimm erwischte es Wolkenstein bis Hilmersdorf, wo viele Autos nach dem Hagel zahlreiche Dellen aufwiesen. Zudem wurden hier viele Obstbäume und Maisfelder in Mitleidenschaft gezogen. Gerade um Wolkenstein scheint der große Hagel am dichtesten gefallen zu sein und hier sind - in Anbetracht der Schäden an Fahrzeugen - sogar einzelne Hagelkörner >5 cm nicht ausgeschlossen. Ebenfalls schlimme Vegetationsschäden an Obst und Mais werden aus der Region Kleinhartmannsdorf und Teilen um Großhartmannsdorf gemeldet. Hier waren die Körner zwar kleiner (meist 2-3 cm), aber oft mit stärkerem Wind begleitet. Sturm- und einzelne schwere Sturmböen >90 km/h traten vor allem ab Lengefeld auf und verursachten einzelne kleinere Sturmschäden (Astbrüche). Beeindruckend war übrigens auch die Blitzrate der Gewitterzelle: 20-30, teils aber auch >40 Blitze zuckten pro Minute allein im Bereich der Superzelle am Himmel (abgeleitet von kachelmannwetter.com). Die meisten Blitze waren allerdings Wolkenblitze im Amboss der Gewitterzelle. Durch das Tageslicht und auch durch den extremen Niederschlag im Gewitterkern blieben die meisten Blitze dem Beobachter jedoch verborgen.
Hagelschaden an einem Maisfeld bei Kleinhartmannsdorf - hier trat während des Gewitters ein dichter Hagelsturm mit 2-3 cm Korngröße auf...
Maisfeld bei Hilmersdorf nach maximalen Hagelgrößen von 4 bis vereinzelt 5 cm im Durchmesser...
Hagelschaden in Wolkenstein - Neben zahlreichen kleinen Dellen sind hier deutlich die 2 tiefen Dellen auf der Motorhaube sichtbar - ein häufiges Bild in der Region...
Neben diesem ersten Gewittersystem wurde - wie oben bereits angesprochen - der Raum Aue-Schwarzenberg durch mehrere Gewitter getroffen. Dadurch gab es hier erhebliche Schäden, insbesondere in Beierfeld und Schwarzenberg. Im Bereich Lauter-Bernsbach fielen deutlich über 70 mm Regen in 6 h, davon der Großteil in Form von 3 heftigen Gewittergüssen. Die Feuerwehren waren im Dauereinsatz. Hagel trat bei diesen Zellen noch mit 2-3 cm Durchmesser auf, lediglich im Raum Carlsfeld-Eibenstock fielen auch Körner um 3-4 cm und richteten lokal Schäden an Autos an.
Nachfolgend ein kurzes Video, welches die Schäden durch die Superzelle, insbesondere die Hagelschäden dokumentiert. Gezeigt werden Bilder aus Kleinhartmannsdorf und Hilmersdorf sowie Wolkenstein. Darunter sind auch einige Vergleichsbilder:
(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=tRJh7vbscv4)
Verifikation der Superzelle
Mit zunehmender Scherung rückseitig von Tief Marine bildete sich gegen 12:45 Uhr eine Gewitterzelle zwischen Wolkenstein, Geyer und Annaberg. Der Aufwindbereich lag dabei über Annaberg und konnte von unseren Chasern Bernd März und Norbert Weichel dokumentiert werden.
Im Zeitraffer ist kurz nach der Bildung der Zelle bereits deutliche Rotation erkennbar [siehe 1. Video oben (Minute 00:28-00:44) und Video von Norbert Weichel: [youtube.de] (Minute 00:07-00:14)]. Das wird auch vom Dopplerradar auf kachelmannwetter.com bestätigt (im Dopplerradar ist die Zurichtung der Wolken erkennbar, was Hinweise auf Rotation liefert):
Dopplerbild 12:55 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation zwischen Annaberg und Wolkenstein) Radarbild 12:55 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation zwischen Annaberg und Wolkenstein)
Schema der Superzelle über Annaberg gegen 12:55 Uhr - Foto: Bernd März
Die Rotation blieb auch nachfolgend erhalten. Ca. 20 min später konnte Bernd März bei Marienberg die Superzelle dokumentieren, welche zu diesem Zeitpunkt Richtung Hilmersdorf zog [siehe 1. Video oben (Minute 01:42-01.56)]. Die Rotation ist im Zeitraffer gut sichtbar und wird vom Dopplerradar bestätigt.
Dopplerbild 13:15 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation südlich von Wolkenstein) Radarbild 13:15 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation südlich von Wolkenstein)
Dopplerbild 13:20 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation bei Wolkenstein) Radarbild 13:20 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation bei Wolkenstein)
Schema der Superzelle über dem Raum Wolkenstein - Foto: Bernd März
Schema der Superzelle über dem Raum Gehringswalde - Foto: Bernd März
Bei Lengefeld scheint es nachfolgend einen Zykluswechsel gegeben zu haben, wobei sich neben der alten Mesozyklone (= rotierender Aufwind) ein 2. rotierender Aufwind bildete, welcher später den alten Aufwind ersetzte. Das deutet sich im Doppler durch 2 diffus erkennbare Rotationszentren an:
Dopplerbild 13:35 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation zwischen Wolkenstein und Lengefeld) Radarbild 13:35 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation zwischen Wolkenstein und Lengefeld)
Später zeigte die Superzelle bei Großhartmannsdorf auch eine deutliche Einkrümmung und Hook-Struktur (= Hakenecho) auf dem Niederschlagsradarbild, was auf deutliche Rotation hindeutet und welche auch wieder durch das Dopplerradar bestätigt wird:
Dopplerbild 13:55 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation südl. von Freiberg) Radarbild 13:55 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation südl. von Freiberg)
Die Zelle streifte anschließend Freiberg und zog nachfolgend unter Abschwächung Richtung Nordosten weiter. Dabei ist im Dopplerradar deutlich erkennbar, dass der rotierende Bereich zunehmend kleiner wird, aber nach wie vor vorhanden ist:
Dopplerbild 14:10 Uhr MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation direkt östlich von Freiberg) Radarbild 14:10 MESZ: [kachelmannwetter.com] (Rotation direkt östlich von Freiberg)
Erst auf dem Dopplerradarbild von 14:30 Uhr ist keine Rotation mehr erkennbar.
Wenn Gewitterzellen rotieren, zeigen sie zudem oft weitere Eigenschaften, welche allein für sich bereits Hinweise auf eine Superzelle geben können. Beispielsweise wird bei Betrachtung der Niederschlagsradardaten deutlich, dass die angesprochene Gewitterzelle ab ihrer Entstehung rechts aus der Höhenströmung heraus ausbrach und damit eine nach rechts hin abweichende Zugbahn im Vergleich zu anderen Gewitterzellen aufwies (siehe Abbildung unten). Dieses "Rightmovering" sowie die im Vergleich zu anderen Zellen zeitweise verlangsamte Zuggeschwindigkeit deutet auch ohne Sichtung der Dopplerdaten auf einen rotierenden Aufwind zwischen 12:55 und 14 Uhr hin. Mit Abschwächung der Zelle und des rotierenden Aufwindes ab 14 Uhr gliederte sich die Zelle auch wieder zunehmend in die vorherrschende Höhenströmung ein und zeigt wieder eine stärkere Nordkomponente in ihrer Zugbahn.
Zugbahn der Superzelle (1. und 2. Zyklus) im Vergleich mit einer nicht-rotierenden Gewitterzelle - dargestellt ist die Position des Zellaufwindes in 15-minütigen Zeitabständen; während des Zykluswechsels existieren parallel 2 Aufwinde (neuer und alter Aufwind); erkennbar ist auch das Zurückkehren in die "normale" Zugrichtung (vgl. mit nichtrotierender Gewitterzelle) bei Zyklus 2 mit Abschwächung der Mesozyklone (= rotierender Aufwind)
Auch wenn Hagel allein nicht als Beweis für Superzellen genutzt werden kann, da auch starke Aufwinde in sehr energiereicher Luftmasse Hagel >4 cm erzeugen können, so kann ein beständiger und andauernder Hagelzug einer Zelle durchaus als Hinweis auf eine Superzelle gewertet werden. Die Superzelle im Erzgebirge brachte nach ihrer Entstehung im ersten Zyklus über einen Zeitraum von 30 min Hagel mit Korndurchmessern von 3-4 cm, teils bis um 5 cm hervor. Das verbreitete Auftreten von Hagel dieser Größe im Gebiet von Wolkenstein bis Hilmersdorf liefert damit für sich einen eigenen Hinweis auf eine beständige Organisation und ist normalerweise nicht mit einer kurzen "Überentwicklung" einer normalen Gewitterzelle erklärbar. Beständige Hagelzüge solcher Ausdehnung benötigen entsprechende Zellorganisation über einen längeren Zeitraum und bleiben - zumindest in Mitteleuropa - oft nur Superzellen vorenthalten. Nachfolgend eine Übersicht über die gemeldeten Hagelgrößen:
Übersicht über die gefallenen Hagelgrößen basierend auf eigenen Beobachtungen und Meldungen von Augenzeugen (vorläufige Darstellung - wird ggf. noch aktualisiert)
Insgesamt kann man somit zusammenfassen, dass dieses Gewitter mit höchster Wahrscheinlichkeit als Superzelle angesprochen werden kann, wobei es wahrscheinlich 2 Zyklen gab, einmal von 12:50 bis 13:35 und danach einen 2. Zyklus bis 14:30 Uhr. Der erste Zyklus war von verbreitet Hagel >3 cm, teils bis um 5 cm begleitet. Im 2. Zyklus waren die Hagelkörner meist kleiner und erreichten oft nur 1-2 cm, lokal um 3 cm. Ganz vereinzelt trat auch noch einmal Hagel von 3-4 cm im Durchmesser auf. Entsprechend ihres Erscheinungsbildes ist im 1. und 2. Zyklus von einer "Klassischen Superzellenstruktur" auszugehen, gegen Ende hin auch von einer "HP-Struktur" (High precipitation = sehr niederschlagsreiche Superzelle, wobei der Niederschlag zunehmend auch auf die normalerweise weitgehend niederschlagsfreie Aufwindbasis ausgreift). Die Zelle war die erste markante Hagelzelle (Hagel >4 cm) im Erzgebirge seit August 2013.
© Michel Oelschlägel
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