Superzellenchasing am 23.05.2016 in Tschechien

 

Der 23. Mai beendete eine erste kurze sommerliche Episode in Mitteleuropa. Ein Tag zuvor, am 22. Mai 2016, wurde lokal erstmals die 30°C-Marke geknackt. Am 23. Mai lag vor allem der Osten Deutschlands und Tschechien noch unter energiereicher Warmluft, während im Westen bereits stabilere und kühlere Atlantikluft vorherrschte. Entscheidend für die Gewitterbildung an diesem Tag war allerdings eine Bodentiefbildung. Dieses Tief bildete sich am Tag über Tschechien und verlagerte sich im Tagesverlauf Richtung Dreiländereck (Deutschland-Polen-Tschechien) und dann weiter nordwärts. Das Tief löste - beginnend in Tschechien - durch seinen Hebungsantrieb heftige Gewitter und Unwetter aus, welche später auch über Ostsachsen und Brandenburg bis nach Mecklenburg-Vorpommern zogen. 

 

Los ging es gegen 13:30 Uhr östlich des Bayrischen Waldes in Tschechien. Dort entwickelten sich 2 Superzellen, welche anfangs nahezu parallel nach Nordosten zogen. Westlich von Prag vereinigten sich beide Zellen zunehmend zu einer einzelnen starken Superzelle. Die zwei Superzellen wie auch die später vereinigte Superzelle gingen vielerorts mit heftigem, sehr dichtem Hagelschlag einher. Die Korngröße lag dabei meist zwischen 1-2, teils bei 3 cm im Durchmesser. Allerdings fiel der Hagel derart dicht, dass sich eine dicke Hageldecke von deutlich >5 cm Höhe ausbildete. Die betroffenen Gebiete verwandelten sich in eine Winterlandschaft. Zusammengeschwemmt lag der Hagel teilweise gut 1 m hoch und Autos wurden von den Hagelmassen eingeschlossen. Die Feuerwehren musste die Straßen mit schwerem Gerät wieder freischaufeln. Darüber hinaus gab es vielerorts massive Überflutungen und vollgelaufene Häuser durch den sehr heftigen Starkregen und dichten Hagel. Lokal fiel aber auch immer wieder größerer Hagel von >4 cm Durchmesser vom Himmel, wobei einige Meldungen und Schäden (eingeschlagene sehr flache Heckscheiben bei Autos) auch größere Körner von bis zu 6 cm plausibel machen.

 

Ich fuhr am Nachmittag angesichts der Lage Richtung Usti nab Labem und positionierte mich gegen 17:15 Uhr knapp westlich von Lovosice in der Zugbahn der inzwischen vereinigten, großen Superzelle. Mehr und mehr wurden die Strukturen der Superzelle deutlich und im Zeitraffer war eindeutig Rotation erkennbar. 17:45 Uhr wurde Kladno von der Superzelle getroffen. Auch hier gab es Hagel bis 3 cm Durchmesser und teils kleinkörnige Hagelmassen. Lokal war auch weiterhin Hagel von >4 cm Durchmesser dabei und beschädigte zahlreiche Autos. Gegen 18:15 Uhr stand die Superzelle gut 20 km süd-südöstlich von mir mit weiterhin sehr ausgeprägtem Hagelkern. Zu dieser Zeit bildete sich vor mir ein gewaltiger, gelblicher Niederschlagbereich aus, der einige Kilometer von mir entfernt zu Boden ging und sich nach wenigen Minuten wieder auflöste. Aufgrund der Niederschlagsfärbung war heftiger Hagel in diesem Bereich wahrscheinlich. Zunehmend konnte man nun auch kräftige Erdentladungen neben weiterhin zahlreichen Wolkenblitzen beobachten. Die Blitzrate war gefühlt recht hoch.

 

Aufzug der Superzelle bei Lovosice im Egergraben

 

Die Konturen werden immer deutlicher sichtbar...

 

Links der Aufwind, rechts der Niederschlagsbereich

 

Markanter, gelblicher Niederschlagsbereich mit Hagel

 

Funnel im Aufwindbereich? - Auf die Entfernung leider nicht genau zu sagen...

 

Kurz darauf löst sich diese Struktur wieder auf...

 

Zunehmend sieht man - neben vielen Wolkenblitzen - nun auch kräftige Erdentladungen...

 

Heftiger Bodenblitz...

 

... mit deutlichem Nachglühen...

 

...


Ich verlegte gegen 18:30 Uhr wieder etwas weiter nach Osten Richtung Lovosice in den kleinen Ort Trebenice. Dort zog anschließend die Superzelle über meinen Standort hinweg. Allerdings schwächte sich die Superzelle zu dieser Zeit bereits ab, da Neubildungen weiter östlich nun die Regie übernahmen und der Zelle die Energie wegnahmen. Insgesamt war mittlerweile ein großes Gewittersystem entstanden, wobei am Ostende die angesprochene Superzelle die stärkste Entwicklung darstellte. Durch die ebenfalls angesprochenen Neubildungen wurde diese nun langsam durch neue heftige Zellen ersetzt.

 

In Trebenice setzte mit der Zellpassage ein regelrechter Wolkenbruch ein. Zeitweise gab es auch Hagel um 1-1,5 cm Durchmesser und Sturmböen. Weiterhin gab es zahlreiche Entladungen und die Blitzrate war immer noch ziemlich hoch. Nach 10 min ließ der heftige Starkregen nach und die Gewitter zogen weiter Richtung Norden. Ich fuhr nachfolgend noch etwas in der Gegend umher. Durch den Starkregen gab es vielerorts Überflutungen und Schlammlawinen - zahlreiche Feuerwehren waren im Einsatz. Allerdings wurde die Gegend zwischen Trebenice und Lovosice nicht so heftig getroffen wie die Gebiete weiter südlich. Durch die angesprochene Abschwächung der Zelle kurz zuvor blieb diese Region von Großhagel und extremen Hagelmassen verschont.

 

Niederschlagskern in Trebenice

 

Sturm und Hagel begleiten den Wolkenbruch

 

Schlammausspülungen nahe Trebenice

 

Straßen stehen unter Wasser...

 

 

Schlammlawine etwas außerhalb des Ortes

 


Mittlerweile setzte rückseitig des Gewittersystems heftiger Nordwind (Outflow) ein, der teils Sturmstärke erreichte. Ich fuhr anschließend über Most Richtung Altenberg zurück nach Sachsen und brach dann mein Chasing ab. Mittlerweile entstanden auch in Sachsen an dem MCS heftige Gewitter, wobei sich die heftigsten Zellen weiterhin am Ostende des Clusters im Bereich der wärmsten Luftmasse entwickelten. Hier entstand - noch über Tschechien - südlich der Sächsischen Schweiz eine starke, neue Superzelle. Diese Zelle verursachte teils Hagel mit über 5 cm Durchmesser an der Grenze Sachsen-Tschechien und zog nachfolgend westlich an Bautzen vorbei Richtung Brandenburg.

 

Abziehendes Gewittersystem

 

Rückseitig setzt ein starker Outflow ein...

 

Gegen 20:30 Uhr zog die beeindruckende Superzelle an Bautzen vorbei. Unsere Chaser Bernd März und Jens Uhlig konnten die Zelle dort abfangen. Sie erlebten einen Hagelsturm mit schweren Sturmböen, extremem Starkregen und mit 2-3 cm großen Hagelkörnern. Einige Körner waren auch 4-5 cm groß. Entsprechend gab es Schäden an Fahrzeugen und der Vegetation. Teilweise fielen auch hier große Hagelmassen aus den Wolken. Durch den heftigen Starkregen gab es zudem zahlreiche Überflutungen und Schlammausspülungen. Straßen und Häuser standen unter Wasser. Zudem wurde der Hagel teilweise deutlich >30 cm hoch zusammengespült und machte u.a. Straßen und Wege unpassierbar. Auch Häuser und Grundstücke waren betroffen. Die Feuerwehren in der Region waren im Dauereinsatz.

 

Aufziehende Superzelle bei Bautzen - eine beeindruckende Kulisse - Aufnahme: Bernd März

 

Heftiger Sturm, Starkregen und dichter Hagel setzen ein... - Aufnahme: Bernd März

 

Nachfolgend gibt es auch einige große Hagelkörner >4 cm im Durchmesser... - Aufnahme: Bernd März

 

Nach dem Unwetter: Wassermassen schießen von den Feldern in die Ortschaften... - Aufnahme: Bernd März

 

Teils wird der gefallene Hagel zusammengeschwemmt - die Hagelmassen überfluten Grundstücke und Häuser - Aufnahme: Bernd März

 

Hagel, teils zusammengeschwemmt, auf den Feldern... - Aufnahme: Bernd März


Hagel über 3, teils über 4 cm gab es noch bis nach Brandenburg hinein an dieser Zelle. Das ausgeprägte Gewittersystem zog nachfolgend noch bis nach Mecklenburg-Vorpommern, bevor es sich in der Nacht langsam abschwächte. Vor allem in Brandenburg gab es an dem System noch Unwetter durch Starkregen, schweren Sturm und vereinzelt Hagel. Es war die erste ausgeprägte Unwetterlage für Sachsen und Brandenburg in der Saison 2016. Am Folgetag setzte sich kühleres und stabileres Wetter durch. 

 

Zuletzt noch ein zusammenfassendes Video von diesem Tag:

 

(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=38Pwco971ao)

 

© Michel Oelschlägel

Datum: 21. November 2024

                  

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