Orkan Sabine zieht am 10.02.2020 über Sachsen
Nach einem deutlich zu milden und sehr schneearmen Winter stellte sich ab dem 8./9. Februar eine Westwindwetterlage über Mitteleuropa ein. Solche Lagen gehen im Winter oft mit einem nicht unerheblichen Sturmpotenzial einher. Auch diesmal entwickelte sich ein starkes Tief namens Sabine, welches mit seinem Kern langsam vom Nordatlantik ins nördliche Norwegen zog und sich dabei auf unter 944 hPa vertiefte. Südlich bildete sich dabei ein deutlicher Druckgradient aus. Von Nord- bis Süddeutschland lag dieser in der Spitze bei über 35 hPa in der Nacht zum 10. Februar.
Der Sturm legte ab den Abendstunden des 9. Februar deutlich zu. Bereits im Warmsektor wurden vielerorts Sturmböen um 70-80 km/h gemessen, an exponierten Stellen auch schwere Sturmböen um 90 km/h. Im Lee der Mittelgebirge wurden vielfach schwere Sturmböen bis 100 km/ gemessen, lokal auch orkanartige Böen. Am Harz traten sogar bis in tiefe Lagen Orkanböen auf. Im Nordwesten entwickelte sich nachfolgend die Kaltfront, die Deutschland bis zum Morgen von NW her bis auf eine Linie Nürnberg – Nordtschechien überquerte. An ihr traten lokal Gewitter auf. Kaltfrontgebunden wurden bis in tiefe Lagen recht verbreitet schwere Sturmböen von 90-100 km/h gemessen, lokal auch orkanartige Böen, vereinzelt gab es auch mal Orkanböen. Im Tagesverlauf des 10.02. zog die Kaltfront weiter bis zum Alpenrand. In deren Vorfeld und direkt an der Kaltfront gab es dort durch einen einsetzenden Leitplankeneffekt (durch die Alpen) vermehrt orkanartige Böen und Orkanböen bis in tiefe Lagen. Vereinzelt traten sogar extreme Orkanböen bis >150 km/h auf. Rückseitig floss labile Höhenkaltluft ein, in welcher sich vermehrt neue Gewitter und Schauer entwickelten. Da die Höhenströmung noch markant war und nur langsam im Laufe des Nachmittags abnahm, traten an den Schauern und Gewittern in der Mitte und im Süden Deutschlands weiterhin Böen von 90-130 km/h (ev. lokal auch mal mehr nicht ausgeschlossen) auf. Abseits der Schauer-/Gewitterböen blieb der Wind oft im Sturmbereich.
Auch ich war im Sturm in Sachsen unterwegs, genauer im Raum Freiberg. In Sachsen stellte sich ebenso ab den späteren Abendstunden des 9. Februars ein markanter Föhnsturm ein, welcher Böen bis 100 km/h (gemessen u.a. Chemnitz) im Erzgebirgsvorland verursachte. Lokal traten auch Böen von knapp über 100 km/h auf. Erste umgestürzte Bäume wurden aus dem Erzgebirge und dem Raum Chemnitz gemeldet.
Föhnsturm in der Nacht zum 10. Februar bei Vollmond und lockerer Bewölkung...
Ab 4 Uhr griff dann aus Westen die Kaltfront auf Sachsen über. Diese konnte sich immer besser organisieren und gegen 4:30 Uhr war ein deutliches Bow-Echo in der konvektiven Linie westlich von Chemnitz auszumachen. Bald fing dieser Bereich auch an zu blitzen. Es entwickelte sich ein kräftiges Gewitter mit Blitzraten von 4-6 Blitzen pro Minute – nicht schlecht für diese Jahreszeit. Ich positionierte mich nun bei Freiberg, da das Gewitter direkt auf Freiberg zuzog. Nachdem bereits aus Chemnitz von heftigen Böen berichtet wurde und es dort vermehrt Feuerwehreinsätze im Stadtgebiet durch das Gewitter gab, machte ich mich auch auf einen ruppigeren Durchgang gefasst. Kurz nach 5 Uhr zog das Gewitter über Freiberg und Umgebung hinweg. Heftiger Starkregen setzte ein und bald rauschten schwere Sturmböen und orkanartige Böen über die Region hinweg. Ganz lokal sind auch Böen in Orkanstärke aufgetreten, beispielsweise zwischen Großhartmannsdorf und Brand-Erbisdorf (dort fielen gleich mehrere Bäume auf die B101) oder bei Freiberg nahe der Brauerei (dort hat es einen kleinen Kiefernbestand stark geschädigt, siehe Bilder weiter unten). Nach wenigen Minuten zog das Gewitter bzw. die Kaltfront nach Osten ab. Es blieb noch einige Zeit lang recht stürmisch, bevor sich der Wind erstmal etwas beruhigte. In der Region Freiberg und Chemnitz gab es nun vielerorts Feuerwehreinsätze in Folge von Sturmschäden. Aber auch anderenorts entlang der Kaltfront traten nach orkanartigen Böen Sturmschäden auf und mussten beseitigt werden.
Kurz vor 5 Uhr: Blitze an der Kaltfront in Blickrichtung Chemnitz...
Ein kräftiges, in die Kaltfront eingebettetes Gewitter zieht anschließend über die Region Freiberg hinweg...
Gewitter mit orkanartigen Böen (ganz lokal auch mal Orkanböen) über dem Raum Freiberg...
Schäden bei Freiberg durch das nächtliche Gewitter...
Nach einer ruhigeren Phase am Morgen lebte der Wind mit einem hereinziehenden Kurzwellentrog ab den späteren Vormittagsstunden wieder auf. Ein gewittriger Schauer zog nun gegen 11 Uhr von Zwickau her über Chemnitz ins Osterzgebirge. Auch Freiberg wurde von diesem gegen 11:30 Uhr gestreift. Gerade dieses System hatte es wirklich in sich. Ich stand nahe eines Waldgebietes des Freiberger Hegewaldes, als der gewittrige Schauer mit Starkregen und Graupel über mich hereinbrach. Orkanartige Böen und schwere Sturmböen fauchten über mich hinweg und in die umliegenden Bäume. Einzelne hörte man in der Ferne brechen. Auch nach dem Schauer hielten die starken Böen noch eine kurze Zeit lang an. Das System verursachte vielerorts orkanartige Böen (Chemnitz: 115 km/h), teils sogar Orkanböen (Reinsdorf bei Zwickau: 129 km/h). Gerade aus dem Raum Zwickau wurden vermehrt abgedeckte Dächer gemeldet. Viele Feuerwehren waren nach der Gewitterpassage wegen Sturmschäden im Einsatz. Auch im Laufe des Nachmittages gab es zwischen sonnigen Phasen immer wieder Schauer und Gewitter, die mit orkanartigen Böen und schwerem Sturm einhergingen. Erst am späten Nachmittag nahm dann der Wind auch in diesen Schauern immer mehr ab und langsam beruhigte sich zunächst die Lage.
Heftige Schauer und Gewitter ziehen ab den Mittagsstunden über die Region - es treten dabei Böen von 90-130 km/h (= gemessene Werte, ev. höhere Böen ganz lokal nicht ausgeschlossen) in Sachsen auf...
Diese konvektiv heruntergemischten Böen bleiben nicht ohne Folgen...
Auch kurz nach den Schauern gibt es noch heftige Böen...
...bevor auch schon bald darauf das nächste Gewitter hereinbricht...
Bis zum Abend bilden sich immer wieder kräftige Schauer und Gewitter mit hohem Sturmpotenzial...
Allerdings sind die Gewitter und Schauer auch sehr schön anzusehen...
Blick auf eine Gewitterzelle nördlich von Freiberg am späten Nachmittag...
Nachfolgend ein Video, welches die Ereignisse am 10.02. im Raum Freiberg zusammenfasst:
Video zum unwetterartigen Sturmverlauf bei Freiberg (externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=5eexldGoj3w)
In der Nacht zum 11. Februar entwickelte sich dann noch eine Welle, welche ebenfalls nochmal schwere Sturmböen in Schauer- und Gewitternähe in der Mitte Deutschlands und im Süden verursachte. Gerade Richtung Süddeutschlands gab es auch nochmal Böen bis Stärke 11 (orkanartig). Die Schauer gingen immer mehr in Schneeschauer und Wintergewitter über. Das stürmische Schauerwetter mit einigen Wintergewittern blieb auch am 11. Februar noch in weiten Landesteilen erhalten, allerdings war der Wind nicht mehr so stark.
Sturm- bzw. Orkan Sabine war lokal durchaus schadensträchtig. Insbesondere an Überentwicklungen an der Kaltfront und an starken Schauern/Gewittern im Trog traten schadensträchtige Böen auf. Im Süden Deutschlands gab es verbreiteter Sturmschäden durch den Leitplankeneffekt der Alpen. Insgesamt gab es viel Arbeit für die Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW, Polizei und Straßenaufsicht. Erste Versicherer schätzen die Sturmschäden in Deutschland auf etwa 600 Millionen Euro. Dazu gab es vielerorts auch wieder nennenswerte Waldschäden. Auch in Sachsen wird das Schadensausmaß in den Wäldern auf 50.000-100.000 Festmeter geschätzt (Stand Feb. 2020). Dennoch war hier der Sturm deutlich weniger schadensträchtig als die jüngsten Orkantiefs Herwart (Oktober 2017), Friederike (Januar 2018) und Eberhard (März 2019). Die Böen waren diesmal oft schwächer, traten eher lokal an Schauern/Gewittern auf und damit nicht flächig wie bei den drei genannten Orkantiefs. Auch das Zeitintervall, in welchem die stärksten Böen auftraten, war diesmal deutlich kürzer. Nichtsdestotrotz war es wieder ein beeindruckendes Ereignis, bei dem es lokal durchaus heftig zur Sache ging.
Nachfolgend noch einige Schadensbilder aus dem Freiberger Raum:
Nahe der Freiberger Brauerei - hier hat ein Microburst mit Orkanböen, aufgetreten an der Kaltfront, erhebliche Schäden hinterlassen...
Sehr lokal sind hier zahlreiche Bäume gebrochen...
Von einem kleinen Kiefernbestand mit jüngeren Bäumen ist nicht mehr viel übrig...
Zahlreiche junge Bäume sind hier gebrochen oder wurden entwurzelt...
Abseits der kleinen stark betroffenen Fläche nahe der Brauerei sind es aber vornehmlich Einzelwürfe...
Hier weitere Aufnahmen aus dem Freiberger Fürstenwald mit eher verstreuten Schäden...
Die Schäden sind hier diesmal deutlich geringer als bei den letzten drei Orkantiefs Herwart, Friederike und Eberhard...
Im Bereich einiger alter Wurfflächen sind aber auch wieder vermehrt Bäume umgefallen...
© Michel Oelschlägel