Orkan Emma
Am 29.2.08 begann sich das weiter intensivierende Orkantief Emma nach Mitteleuropa auszubreiten. Die Warmfront erreichte in der Nacht zum 1.3. Deutschland und verursachte neben teils kräftigem Dauerregen auch stürmische Böen. Am Morgen des 1.2. war der Höhepunkt des Warmsektorsturms erreicht. Die Böen lagen in Sachsen teilweise bei Bft. 10, im Bergland bei Bft. 11. Ein Föhnorkan, bei welchem die 70 kn aus 850 hPa (aus 1500 m) im Bereich der Mittelgebirge bis ins Vorland herabgemischt wurden, wie es beim schweren Orkan Kyrill am 18.1.07 der Fall war, blieb aus. Inzwischen hatte sich bereits in der Nacht entlang der von Nordwesten reinziehenden Kaltfront eine Gewitterlinie gebildet, welche unter Intensivierung Richtung Südosten zog.
Ich, Bernd März, Michael Popp und Enrico Öltze, Silvio Wandel und Jens Weissbach trafen uns anschließend zwischen Schlettau und Frohnau (Landkreis Annaberg, Westerzgebirge) und stationierten uns, um die aufziehende Gewitterlinie abzufangen. Beim Blick auf das Radar zeigte sich, dass sich bei Leipzig und Gera je ein großes Bowecho in der Squallline ausbildete. Der südliche Teil, welcher aus Thüringen aufzog, sollte für Südwestsachsen und damit uns interessant werden.
Gegen 8:20 Uhr kam aus Nordwesten eine dunkle Wolkenwand aufgezogen, Blitze wurden sichtbar, etwa 3-4 pro Minute. Zwischen 8:30 Uhr bis 8:35 überquerte die Squallline unseren Standort. Neben heftigen Starkregen und kleinkörnigen Hagel gab es Böen bis Bft. 11 (10 m hochgerechnet), direkt am Boden bei 1 m wurden 97 km/h durch einen von uns angebrachten Windmesser registriert. Dabei traf uns noch ein eher schwacher Bereich der Front, im Bereich des Bows wurden teilweise Reflektivitäten > 55 dBZ erreicht, vor allem im Bereich Vogtland und dem südlichen Landkreis Aue-Schwarzenberg. An unserem Standort waren es "nur" bis zu 46 dBZ. Nach der Passage des gewittrigen Teils der Kaltfront ging der Niederschlag in Schneefall über, teilweise fielen in den Kammlagen bis zu 10 cm Neuschnee, gebunden an weiterhin stürmische Böen.
Bei der Fahrt zurück nach Schlettau mussten wir erstmal einen kleineren Baum zur Seite räumen, um weiterzukommen. In Schlettau entdeckte Bernd ein abgedecktes Dach. Kurz darauf traf dort die Feuerwehr ein. Vielerorts wurden mit der Kaltfront Bäume entwurzelt und größe Äste abgebrochen, mancherorts auch Dächer abgedeckt - die Feuerwehren waren im Dauereinsatz. In einigen Regionen gab es auch größere Schäden, wie beispielweise im Bereich Hohenstein-Ernstthal im Chemnitzer Land oder in Chemnitz, wo zahlreiche Dächer beschädigt und Bäume geknickt wurden. Auch im Erzgebirge wütete es teils heftig, unter anderem bei Carlsfeld und Zwota sowie Eibenstock. Dort wurden ebenso zahlreiche Bäume geknickt und Schäden im Bereich bis maximal T3 (ab 150 km/h) angerichtet. Bei Carlsfeld gibt es sogar einige schwache T4-Indizien, also eventuell sogar Böen > 180 km/h. Die Spitzen entlang der Kaltfront lagen verbreitet bei Bft. 10-11, mancherorts wurde auch Bft. 12 erreicht. Extreme, erfasste Böen gab es im Erzgebirge und Vorland beispielweise mit 152 km/h in Chemnitz (420 m) oder mit 156 km/h auf dem Fichtelberg (1214 m) sowie mit 131 km/h in Ehrenfriedersdorf (ca. 600 m). Eine private Messung von Jens Weissbach ergab noch Böen von 132 km/h auf der Dittersdorfer Höhe bei Amtsberg.
In den folgenden Stunden beruhigte sich das Wetter in Sachsen, während die Kaltfront über Tschechien und Bayern weiter Richtung Südosten zog und örtlich erhebliche Schäden verursachte. Erst gegen 15 Uhr nahm der Wind in Sachsen wieder deutlich zu, da nun der Trog hereinzog. Gegen 17 Uhr war der Höhepunkt erreicht, es gab nochmals verbreitet Bft. 10-11 im sächsischen und brandenburgischen Flachland, im mittleren Bergland des Erzgebirge Bft. 11 bis teils auch Bft 12. In den Kammlagen gab es auch extreme Orkanböen > 140 km/h (Fichtelberg: 148 km/h). Erst nach 18:00 Uhr lies der Wind zögerlich nach, Orkan Emma zog Richtung Osteuropa ab...
Die Schäden in Europa, Deutschland und in Sachsen waren erheblich, allerdings regional sehr unterschiedlich. Vor allem an der Kaltfront gab es örtlich heftige Fallwinde und mehrere Tornadoverdachtsfälle. Allerdings lag die Anzahl der Dowbursts und Verdachtsfälle sowie deren Intensität und die allgemein durchschnittlich an der Kaltfront erfassten Windgeschwindigkeiten insgesamt deutlich! unter denen von Orkan Kyrill. Regional wurden allerdings wenigstens 2 Stationen von einen Downburst direkt erfasst, nämlich Chemnitz (152 km/h) oder die Station auf dem bayrischen Wendelstein, wo mit 223 km/h Kyrill um 21 km/g überboten wurde. Allerdings erreichte die extreme Kaltfront von Kyrill den Wendelstein auch gar nicht. Schadensbilder von damals zeigten, das Kyrill teils im Tiefland sogar solche Werte erreichte, allerdings wurde damals eben kaum eine Station direkt getroffen. Zum Vergleich zu Kyrill kann man noch die Warmfront und den Trog betrachten. Orkan Kyrill erreichte bis zu 100 kn in 850 hPa im Warmsektor, zugleich gab es hier auch einen extremen Föhnorkan in den mitteldeutschen Bergländern, wodurch die Werte aus 850 hPa auch teils herabgemischt werden konnten, obwohl der Warmsektor in der Regel recht stabil ist. Emma schaffte es im Warmsektor auf bis zu 70 kn, allerdings ohne destabilsierende Föhnentwicklung und Herbmischung. Der Trog war bei Kyrill ebenfalls deutlich größer und intensiver. Der Trog von Emma war dagegen intensitätsmäßig eher mit Orkan Dorian vom 16.12.2005 vergleichbar.
Die Schäden durch den Orkan gehen allein in Sachsen weit in die Millionen. 8400 Menschen waren in der Spitze in Sachsen ohne Strom, >1000 sogar am nächsten Tag noch. Insgesamt wurden die Forstschäden in Sachsen auf etwa 150.000 Festmeter geschätzt (Kyrill: 1,7-1,8 Millionen, Stand 3.3.2008). Im Vogtland wurden dabei >15.000 Festmeter gebrochen, im Forstbezirk Eibenstock im Westerzgebirge 20.000-40.000 (Kyrill: 360.000 Festmeter, Stand 3.3.08, FP). Zwar waren die Schäden erheblich, aber bei weitem nicht mit Kyrill vergleichbar, der sowohl im Warmsektor, an der Kaltfront und im Trog schwere bis extreme Orkanböen erreichte und auch von der Dauer her länger mit solchen Böen auf Mitteldeutschand einwirkte. Dennoch reiht sich Emma in die markanten Orkanlagen der Vergangenheit ein (wie Dorian 2005,...). Leider gab es auch einige Todesopfer, davon 2 in Sachsen.
Folgend noch ein Video zum Orkan, welches einige der oben genannten Erlebnisse wiedergeben soll:
(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=_r32FIBi5QA)
Zudem wurde der Schadensfall Carlsfeld noch genauer untersucht:
Zum Schadensfall Carlsfeld
© Michel Oelschlägel
Datum: 21. November 2024