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Mittlerweile waren kaum noch irgendwelche Bundes- und Staatsstraßen befahrbar. Gerade in Flussnähe kam man oft nicht mehr weiter, wodurch viele auf die Autobahn auswichen, was allerdings dort zu erheblichen Verkehrsbehinderungen führte. Ich fuhr unterdessen über Chemnitz zurück, wodurch in nochmal einen Blick auf die Chemnitz werfen konnte, welche Teile der Stadt überflutete.
Hochwasser am Fluss Chemnitz in Chemnitz
Überflutungen in Chemnitz
Der weiterhin anhaltende Regen führte vielerorts noch zu steigenden Pegeln oder verhinderte zumindest einen Pegelrückgang. In Zwickau wurde der Scheitel mit 474 cm am späten Abend erreicht, bevor hier das Wasser langsam zurück ging. Später lief die Talsperre Eibenstock, wie auch viele anderen Rückhaltebecken und Talsperren in Sachsen, über. Glücklicherweise passierte das zu einem Zeitpunkt, als der Wasserstand des Schwarzwassers bereits wieder sank, sodass eine noch höhere Flutwelle in Zwickau ausblieb. Dennoch reichte es im Unterlauf der Zwickauer Mulde bei Wolkenburg, Wechselburg und Colditz für neue Pegelhöchststände (Wolkenburg: 626 cm Höchststand, normal 276 cm; Wechselburg: 616 cm, normal 88 cm; Colditz: 720 cm, normal 190 cm), welche sogar die Hochwassermarken von 2002 überschritten.
Während die Pegel in Westsachsen zumindest in den Oberläufen langsam fielen, regnete es auch noch in der Nacht zum 3.6. sowie am Tag im Osterzgebirge weiter, wodurch vor allem die Freiberger Mulde nochmals anstieg und in der 2. Nachthälfte ihren Höchststand erreicht. HWWS 4 wurde bei Freiberg nur knapp verfehlt, allerdings flussabwärts ohne Ausnahme erreicht (bspw. Nossen: 363 cm Höchststand, normal 63 cm; Mahlitzsch: 477 cm, normal 87 cm). Auch die Bobritzsch erreichte erst am 3.6. mit 262 cm (normal 26 cm) in Krummenhennersdorf ihren Höchststand.
Freiberger Mulde am 3.6. bei Großschirma
Freiberger Mulde in Halsbrücke bei Freiberg
Im späteren Tagesverlauf ließen auch hier die Niederschläge zögerlich nach, sodass verzögert auch die Flüsse mit einem Pegelrückgang reagierten. Flussabwärts wurden dagegen viele Städte, unter anderem Döbeln, schwer von der Hochwasserwelle getroffen, welche schließlich südlich bei Golzern in die Zwickauer Mulde floss. Da diese selber schweres Hochwasser führte, ergab sich auch für die Vereinigte Mulde eine gewaltige Hochwasserwelle (Golzern: 783 cm Höchststand; 162 cm normal), welche an den Orten und Städten entlang des Flusses schwere Schäden verursachte. Vor allem Grimma wurde schwer getroffen und weite Teile der Stadt überflutet.
Auch die Zuflüsse der Weißen Elster in Westsachsen und dem Vogtland führten ein enormes Hochwasser ab, welches in die ebenfalls Hochwasser führende Saale einfloss. Die Folge waren auch hier Rekordhöchststände und immense Schäden. Ostsachsen kam dagegen noch einigermaßen glimpflich davon, wobei auch hier viele Flüsse HWWS 2-3, teils 4 erreichten. Wesentlich dramatischer wurde die Lage in den Folgetagen an der Elbe. Auch in Tschechien fielen in den vergangenen Tagen immense Niederschlagsmengen, welche nach 2002 ein neues schweres Hochwasser verursachen sollten.
Elbe in Dresden am 5.6., kurz vor Erreichen des Pegelhöchststandes am 6.6.
Hochwasser der Elbe nahe Meißen
Hochwasser der Elbe in Meißen
Am 6. Juni wurden in Sachsen die höchsten Elbpegelwerte erreicht. In Schöna wurde ein Pegel von 1065 cm (2 m Normalwasserstand) gemessen, in Dresden waren es 876 cm bei 2 m Normalstand, in Meißen 1005 cm bei 249 cm Normalpegel. Erneut kam es an allen Elbe-nahen Städten zu immensen Überflutungen, wie unter anderem in Pirna, Bad Schandau oder Meißen. Das Hochwasser blieb zwar unter der Rekordflut von 2002, richtete aber erneut schlimme Schäden an. Seit 1845 wurde an der Elbe in Dresden nur 2x ein Pegel von >850 cm erreicht, was auch das Ausmaß dieses Hochwassers deutlich macht.
Die Scheitelwelle der Elbe war zudem ungewöhnlich breit, sodass in Dresden die HWWS 4 für insgesamt 6 Tage erhalten blieb. Flussabwärts vereinigten sich das Mulde-, Saale- und Elbehochwasser in Sachsen-Anhalt zu einer neuen Rekordflut mit bisher nie gemessenen Höchstständen, was zu schweren Schäden führte. Riesige Flächen wurden überflutet, ganze Ortschaften überschwemmt. Neben der Elbe verursachte die Höhentief-gesteuerte Wetterlage auch an der Donau und ihren Zuflüssen ein extremes Hochwasser. Nach >400 mm Regen in 96 h wurden an der Donau Wasserstände erreicht wie seit mind. 500 Jahren nicht mehr. Entsprechend verheerend waren die Schäden entlang der Donau und ihren Zuflüssen.
Insgesamt brachte diese Wetterlage in Sachsen >220 mm Niederschlag in 96h, wobei teils 80-100 mm in nur 12 h fielen. In Schauern kamen dabei auch >30 mm in 1 h vom Himmel. In Südbayern wurden sogar verbreitet 200-300, teils >400 mm Niederschlag in 4 Tagen gemessen, mit teils 200 mm in 24 h. Nicht berücksichtigt sind dabei Niederschläge, die vor dem 30. Mai fielen und dabei bereits mancherorts eine Sättigung des Boden bewirkten. Dies war vor allem in Thüringen der Fall, wo das Höhentief bereits am 26. und 27. Mai zu Dauerregen mit 30-60 mm Niederschlag führte. Auch zwischen dem 27. und 30. Mai gab es immer wieder Niederschläge in Form von kleineren Regengebieten oder Gewittern, was ebenfalls vielerorts die Böden anfällig für eine Hochwasserlage machte. Zu betonen ist jedoch, das gerade in den Regionen Sachsens und Tschechiens, welche das Nährgebiet des diesjährigen Jahrhunderthochwassers an der Elbe und Mulde bildeten, im Vorfeld keine besonders hohe Bodensättigung vor dem 26.5., teils auch noch vor dem 30.5. vorhanden war. Eine deutlich nassere Vorgeschichte an den Alpen, am Erzgebirge und in Tschechien vor dem 26.5. hätte vielerorts noch höhere Wasserstände zur Folge gehabt.
Zu betonen ist auch, dass nach 2002 zumindest in Sachsen vielerorts in den Hochwasserschutz und das Krisenmanagement investiert wurde. Das zahlte sich diesmal aus. So konnten Einsatzkräfte gezielter und effektiver eingesetzt werden und neue Deiche, Flutungsflächen und Mauern verhinderten vielfach noch schlimmeres. Gerade in Aue haben sich die neuen Flutschutzanlagen bewiesen, aber auch in Eilenburg oder Dresden. Trotz dieser Maßnahmen ist allein in Sachsen von einem Schaden um 2-2,5 Milliarden Euro auszugehen (2002 etwa 6 Mrd.). Deutschlandweit liegen die Sachschäden bei etwa 8 Mrd. Euro (2002 etwa 11,6 Mrd.). Damit handelt es sich um eine der teuersten Naturkatastrophen in der Bundesrepublik Deutschland. >25 Menschen kamen europaweit durch das Hochwasser ums Leben. Betroffen waren vor allem Deutschland, Tschechien und Österreich, aber auch Polen, die Schweiz und Ungarn.
Nachfolgend noch zur Einordnung des Hochwassers eine Übersicht über einige Pegelstände, welche an sächsischen Flüssen diesmal und bei vergangenen Hochwasserlagen erreicht wurden (Datenquelle LHWZ):
Zuletzt noch ein Video zum Hochwasser mit einem Zusammenschnitt aus den im Bericht angesprochenen Regionen:
(externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=WcSzKZtM92g)
© Michel Oelschlägel