16.6.2006 Unwetter durch HP-Superzelle im Osterzgebirge/ zahlreiche Superzellen in Sachsen
Nachdem es in den vergangenen Tagen mit Temperaturen von über 30 °C vor allem in Ost- und Süddeutschland sehr heiß war, bildeten sich mit Annäherung einer wellenden Kaltfront vom 14.6-16.6. zum Teil schwere Gewitter. Vor allem der 16.6.06 sticht hierbei deutlich heraus, wobei sich die Unwettertätigkeit nun auch in den schwül-heißen Osten Deutschlands verlagerte. Ausnahme war ein kleines, heftiges Wärmegewitter am 15.6.06 im Landkreis Aue-Schwarzenberg.
Der 16.6.06 startete mit dem Durchzug von teils noch aktiven Gewitterresten ehemaliger Multizellen aus Südwest- und Westdeutschland, welche sich jedoch im Verlaufe des Vormittages rasch aufgelöst hatten. Es war nun wieder schwülheiß mit bis zu 30°C. Südlich von Chemnitz kam es gegen 14:00 zur ersten Zellauslöse, wobei sich das System rasch verstärkte und einen großen Hagelkern produzierte. Ein Teil dieses Systems scherte rechts, der andere Teil (nördlicher Teil) nach links aus. Der nördliche Bereich zog in fast nördliche Richtung in das Gebiet Riesa-Großenhain, wo schwere Gewitter niedergingen. Der südliche, sehr blitzaktive Teil organisierte sich weiter und konnte sich zu einer HP-Superzelle verstärken, ein lohnendes Chasingziel war also entstanden. Bernd März aus Sehma und ich beobachteten nun diese Zelle. Die Wallcloud der Zelle befand sich übrigens auf der von uns abgewandten Seite und wurde von Ines Mondon fotographiert.
HP-Superzelle mit Wallcloud - aufgenommen von Ines Mondon (hier leicht kontrastverstärkt)
Von einer Erhöhung bei Lippersdorf war das herannahende System gut zu erkennen. Der Großteil der Blitze versteckte sich im Niederschlagsbereich, ein Teil war jedoch auch visuell gut zu erkennen. Die Blitzrate war mäßig bis hoch, ununterbrochenes Donnern unterstrich die vorgewittrige Stimmung.
Superzelle, die Wallcloud wird (von dieser Seite aus betrachtet) vom Niederschlag verdeckt
Blitze aus dem nördlichen, sich abspaltenden Bereich
Blitze aus dem sehr aktiven südlichen Teil (= Superzelle)
Die Zelle kommt näher...
recht nahe Einschläge!
Mit weiterer Annäherung der Zelle verließ ich diese Erhebung, da nun auch vermehrt recht nahe Einschläge auftraten. Zudem begann es mäßig zu regnen. Also führ ich nun weiter in Richtung des Niederschlagsbereich. Der Niederschlag nahm weiter zu, Naheinschläge gab es nun fast pausenlos! Im Bereich Haselbach war der Regen schließlich extrem stark, die Sicht entsprechend schlecht. Immer wieder gab es kleinere Hagelkörner um 1 cm.
Im Dorfkern von Haselbach kamen bis zu 2,5 cm große Hagelsteine vom Himmel. In den folgenden Minuten gab es sehr heftigen Hagelschlag, die größten Körner lagen weiterhin bei 2,5 cm, teils auch etwas darüber. Zusammen mit dem Wolkenbruch verwandelten sich die Straßen rasch in eine Flüsse- und Seenlandschaft, zumal von den landwirtschaftlichen Flächen im Umkreis ebenfalls reichlich Wasser ins Dorf einströmte.
Hagel in Haselbach
Nachdem sich der Hagel etwas beruhigt hatte, fuhr ich weiter. Auch in Dörnthal gab es erhebliche Wassermengen auf den Straßen.
Ausspülungen und heruntergehageltes Laub
Der Starkregen wurde kurzzeitig schwächer. Allerdings kam ich bei der Weiterfahrt Richtung Sayda nochmals in den Hagelbereich. Auf einer Landstraße im besagten Bereich kam es nochmals zu bis zu 2 cm großen Hagelschlag, alle Autofahrer suchten unter Bäumen Unterschlupf vor dem Hagel.
Hagel zwischen Dörnthal und Sayda
In Sayda dann sah ich die heftigsten Überschwemmungen. Auf der kompletten Straße, welche nach Sayda hinein führt, kam mir reichlich Wasser entgegen, die Straße hatte sich in einen Fluss verwandelt. Auch von einem Feldweg kam eine Menge Wasser in den Ort gelaufen. Nach weiteren 5 Minuten (insgesamt dauerte der Starkregen und Wolkenbruch teilweise fast 45 Minuten!) lies der Starkregen zögerlich nach. Die Zelle zog nun weiter Richtung Osten ab.
Überschwemmte Ortsdurchfahrt in Sayda
weitere Überschwemmungen
Durch den langanhaltenden Starkregen gab es erhebliche Überschwemmungen, Feuerwehren waren teilweise im Dauereinsatz. Auf der Rückfahrt konnte man noch den Amboss der abziehenden Superzelle beobachten. Mit einem leeren Kameraakku fuhren wir anschließend wieder zurück.
abziehende Zelle
Bernd gab unterdessen auch eine Unwettermeldung raus. Nicht schlecht staunten ich, als wir in Lauta (nördlich von Marienberg) durchfuhren. Dort hatte sich eine bis zu 15 cm hohe Hageldecke ausgebildet, und das obwohl das Gewitter hier schon seit einer Stunde abgezogen war. Einige Körner waren immer noch 2 cm groß. Hier fanden sich auch einige Sturmschäden, teilweise sogar umgestürzte Bäume!
Hageldecke nördlich von Marienberg
Am heftigsten hatte das Unwetter aber in Olbernhau gewütet. Dort gab es Hagel mit bis zu 5 cm Korndurchmesser, welcher entsprechende Schäden an Autos und Gebäuden verursachte. Auch der heftige Starkregen führte zu Überschwemmungen im Ort. Teilweise fielen in 45 Minuten 60-80 Liter Wasser auf den Quadratmeter, örtlich sicherlich noch mehr! Die Superzelle hielt noch bis 17:30 Uhr durch, bevor sie sich anschließend in Tschechien zum Teilbereich einer Multizelle abschwächte.
Richtung Westen waren bei der Heimfahrt auch weitere Quellungen zu erkennen. Teilweise bildeten sich neue Gewitter, welche aber vorerst nicht so heftig ausfielen. Gegen 16:45 Uhr erreichte eine weitere markante Superzelle (wahrscheinlich classic supercell) die sächsisch-thüringische Grenze. Dieses Unwetter verursachte im nördlichen Landkreis Zwickau und im Großraum Chemnitz (GC) schwere Hagelschauer mit bis zu 6 cm großen Hagelkörnern. Auch gab es hier erhebliche Sachschäden. Die anhaltenden wolkenbruchartigen Niederschläge, wie die der Superzelle, welche über das Osterzgebirge zog, gab es hier nicht. Auch war die Blitzintensität geringer. Gegen 18:45 Uhr bildete sich über dem Landkreis Annaberg ebenfalls nochmals eine starke Zelle, welche Richtung Tschechien zog und dort ebenfalls superzellverdächtig wirkte!
entstehende Superzelle bei Annaberg
entstandene Superzelle - nun über Tschechien
auch am Abend ist noch der Eisschirm dieser Zelle zu sehen
Gegen 19:30 Uhr erreichte eine neue Superzelle in Nordsachsen die sächsische Grenze westlich von Leipzig. Diese möglicherweise klassische Superzelle verursachte in Leipzig ein schweres Hagelunwetter mit anhaltendem Hagelschlag. Die Körner hatten einen Durchmesser von bis zu 5, örtlich auch 7 cm. Dementsprechend hoch waren die Sachschäden in einer solch besiedelten Region. Das war damit die 4. markante Superzelle an diesem Tag in Sachsen.
Im Laufe des Abends gab es in Sachsen noch einige Gewitter, welche teilweise nochmal recht blitzreich ausfielen, aber keine Unwetter mehr hervorbrachten. Die Sachschäden durch die Unwetter an diesem Tag belaufen sich allein in Sachsen auf mehrere Millionen Euro! Ein ereignisreicher, wenngleich auch schadensträchtiger Tag, den es so nicht alle Tage gibt, ging damit zuende.
Zum Schluss noch 2 Blitzaufnahmen von den nächtlichen Gewittern über Annaberg und Tschechien (Aufnahmen von Bernd März):
© Michel Oelschlägel
Datum: 3. Dezember 2024